Sabri, eine Delegation des Seyfo-Centers besuchte vor kurzer Zeit verschiedene Städte in Russland und hielt dort mehrere Vorträge. Da du auch Mitglied dieser Delegation gewesen warst, würden wir dich bitten, in kurzen Wort deine Eindrücke von dieser Reise zu schildern.
Ja, gerne. Unsere Delegation, bestehend aus Nuri Ayaz, David Osipov und mir, hielt in Russland drei Vorträge. Begonnen hatten wir mit dem ersten Vortrag in Krasnodar, welches sehr gut besucht war. Hierzu erschienen auch einige Armenier zum Vortrag. Außerdem besuchten wir in Krasnodar die dort lebenden Assyrer und besichtigten die Assyrische Kirche.
Der zweite Vortrag hatte in Urmie stattgefunden. Urmie ist ein russisches Dorf, welches zu 90% von Assyrern bewohnt wird, die von 1914-1918 vom damaligen osmanischen Reich geflüchtet waren.
Der dritte Vortrag hatte in St. Petersburg stattgefunden, bei dem neben Assyrern auch Armenier und Griechen teilgenommen hatten. Von der dortigen armenischen Gemeinde bzw. Partei hatten wir sogar eine Einladung erhalten, die uns mit einem Dankplakat Anerkennung und Lob zeigten, dass wir sowohl die Assyrer als auch die Armenier und Pontos-Griechen gemeinsam erwähnen.
Mit dem armenischen Konsulat hatten wir ebenfalls ein gemeinsames Treffen gehabt, bei dem wir über die Assyrer und den Völkermord (Seyfo) von 1915 gesprochten hatten. Das Gespräch war von einer sehr angenehmen und freundschaftlichen Atmosphäre geprägt.
Vielen Dank Sabri. Einige Personen meinen, dass sich die Assyrer im Laufe der Zeit in der Diaspora assimlieren. Trifft das auf die Assyrer in Russland zu?
Also im Vergleich zu vielen Assyrern in den USA, die vor und während des Völkermordes von 1914-1918 in die USA emigrierten, kann man bei dem größten Teil der Assyrer in Russland nicht von einer Assimilation sprechen. Wir haben von vielen assyrischen Fußballvereinen und Kulturzentren erfahren können. Außerdem hatte mit dem Assyrischen Jugendverband Mitteleuropa (AJM) ein Jugendaustausch stattgefunden.
Man lernt auch nie aus. So leben z. B. in St. Petersburg etwa mehr als 1 500 Assyrer, die aus Kaz (Türkei) stammen. Ich habe bis zu dieser Zeit nicht gewusst, dass in Kaz Assyrer lebten.
Einige Assyrer haben ein großes Archiv, das man digitalisieren und an die MODERN ASSYRIAN RESEARCH ARCHIV FOUNDATION (MARA) übergeben will. Außerdem haben wir auch die Familie von Dr. Michael Sahdo treffen können.
Wir wollen in Russland auch ein Ausschuss des Seyfo-Centers bilden, daher denke ich, dass es nicht unser letzter Besuch sein wird.
Kommenden Sonntag wird ein neues Genozid-Denkmal in Liege (Belgien) eingeweiht. Du wirst bei dieser Einweihung ebenfalls anwesend sein. Willst du hierzu was sagen?
Das Denkmal, welches am 04.08.2013 eingeweiht wird, ist ein nächster Schritt und resultiert aus einer guten Zusammenarbeit zwischen dem Syriac Institute of Belgium und dem Seyfo Center. Wir freuen uns, dass in Belgien solche motivierten Assyrer wie Patrus Gabriel, Mushe Malke und Riad Asmar leben. Das Denkmal besteht aus einem zwölf Tonnen schweren Stein und hat u. a. auch eine (as)syrische Inschrift. Ich möchte hierzu auch nicht so viel verraten und verweise auf den Sonntag. Da können wir gerne nochmal miteinander reden und bitte jeden, der Interesse hat, dieser Einweihung beizuwohnen, sich an Patrus Gabriel zu wenden. Beginn ist um 13 Uhr in Liege.
Sabri, der türkischen Regierung wird dieses Denkmal aber auch die bestehenden in Frankreich, Australien und den USA wohl ein Dorn im Auge sein. Man leugnet ja den Völkermord von 1915 immernoch und stellt es als kriegerische Tragödie dar. In der Vergangenheit sorgte ja der türkische EU-Minister Egemen Bagis mit seiner geschmacklosen „Masturbationsäußerung“ für ein Skandal. Warum kann man die Wahrheit einfach nicht akzeptieren?
Ich möchte mich nicht zu sehr diesem Thema widmen. Herr Bagis und seine Amtskollegen arbeiten mit allen Mitteln daran, das Thema totzuschweigen. Im Jahr 2015 jährt sich der Völkermord zum 100. male und die türkische Regierung leugnet diese Tat immernoch. Leider bekommen Sie auch Unterstützung von Personen innerhalb unseres Volkes. Ich will auch keine Namen nennen, denn jeder kann sich denken, von welchen Personen die Rede ist. Für mich ist dieses Verhalten in keinster Weise nachzuvollziehen.
Wir wissen, welche Ereignisse 1915 stattgefunden hatten und Wissenschaftler auf der ganzen Welt bezeichnen diese eindeutig als Völkermord. Es bestehen auch, wie du in deiner Fragestellung erwähnt hast, bereits mehrere Denkmäler in verschiedenen Ländern. Wir werden weiterhin so engagiert und diplomatisch für die Assyrer (Suryoye) arbeiten. Das verspreche ich hiermit!
Ninos Aho war Mitglied des Seyfo-Centers, ein großer assyrischer Poet und auch ein enger Freund von dir. Am 16. Juli diesen Jahres erlag er seiner Blutkrebserkrankung. In einem Video, welches er für seine Webseite gemacht hatte, redet er davon, dass die Welt keinen inneren Frieden finden würde, bis die Rechte der Assyrer nicht gewährt werden. Was hatte er genau damit gemeint?
Ninos Aho war ein treuer Freund von mir aber auch eine sehr große Persönlichkeit des assyrischen Volkes. Mit seinem Ableben haben die Assyrer ein sehr großen Verlust erlitten.
Das, was er in diesem Video meinte, kann man z. B. an folgende Punkte besser erklären.
- Der Völkermord (Seyfo) von 1915 muss von der türkischen Regierung anerkennt werden.
- Die Klagen gegen das syrisch-orthodoxe Kloster Mor Gabriel, dem Wahrzeichen der Assyrer im Turabdin, müssen eingestellt und die abgesprochenen Grundstücke dem Kloster wieder zurückgegeben werden.
- In den Heimatländern der Assyrer (Suryoye) müssen deren Name als Ureinwohner in die jeweilige Verfassung festgehalten und deren Minderheitenrechte gewährt werden.
In einem Interview mit dem Wiesbadener Radiosender „Assyrischen Stimme“, berichtet Atman über seine treue Freundschaft zu Ninos Aho. Das Interview ist hier zu finden.
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