Assyrer in Augsburg

Die ersten Assyrer kamen 1968 nach Augsburg. Es handelte sich in der Regel um Einzelpersonen, Männer und Frauen, die eine Arbeitserlaubnis erhalten hatten. Ursprünglich wollten sie hier Geld verdienen und anschließend in die Heimat zurückkehren. Die zunehmende Verschlechterung der Situation für die Christen – die Verfolgung, Diskriminierung und Ermordung von Assyrern nahm immer mehr zu – führte sehr bald zu einem Umdenken. Die Assyrer begannen, sich auf ein dauerhaftes Leben in Deutschland einzurichten und Deutschland als neue Heimat anzusehen. Die Ehepartner und Kinder zogen nach, immer mehr Assyrer verließen ihr Ursprungsgebiet auf der Suche nach einem sicheren, friedlichen Leben.

Augsburg entwickelte sich in den Folgejahren zu einem der wichtigsten Zentren der Assyrer in Deutschland. Dies hatte mehrere Gründe:

  1. Die Weihe von Pfarrer Bitris Ögunc zum ersten Priester der syrisch-orthodoxen Christen in Mitteleuropa und seine Niederlassung in Augsburg.
  2. Das Etablieren des Unterrichts in Muttersprache und Religion.
  3. Die Gründung des Mesopotamien Vereins.

Die Weihe von Pfarrer Bitris Ögunc

Im Jahre 1971 wurde Pfarrer Bitris Ögunc als Priester der syrisch-orthodoxen Christen in Mitteleuropa und als Sozialbetreuer für die in Deutschland ansässigen Assyrer berufen. Als Sitz wurde Augsburg gewählt. In der Heimat hatte die Kirche für unsere Landsleute als ein Ort der Autorität und des Zusammenhalts in einer christenfeindlichen Umgebung sehr große Bedeutung. Die Berufung von Pfarrer Bitris hatte demnach zur Folge, dass sich viele Assyrer in Augsburg niederließen. Die Gottesdienste fanden damals hauptsächlich in katholischen oder evangelischen Kirchen statt, welche die jeweiligen Pfarrer zur Verfügung stellten, zumeist in der St. Josef Gemeinde. Und in der Maximilianstraße wurde ein Sozialbüro für syrisch-orthodoxe Christen eingerichtet.

Der muttersprachliche Unterricht

Eine weitere wichtige Rolle spielte der Aufbau der Assyrischen Schule durch den Kirchenrat und Pfarrer Ögünc. Dort bekamen zum ersten Mal in der Diaspora die Kinder die Möglichkeit sowohl Religions- als auch Sprachunterricht zu erhalten. 1977 kam Patriarch Ignatius Jakob III. nach Augsburg und beschloss mit dem hiesigen Kirchenrat Herrn Issa Hanna als Lehrer zu verpflichten. Herr Hanna unterrichtete die Kinder zunächst an den Wochenenden im Sozialbüro, später im Kolpinghaus. Ab dem Schuljahr 1980/81 wurde er von der Regierung von Schwaben als hauptamtlicher Lehrer für die syrisch-orthodoxe Religionslehre und dem muttersprachlichen Unterricht angestellt. Diese Entwicklung war vor allem der Gründung des Mesopotamien Vereins 1978 zu verdanken. Die Gründer erkannten sehr schnell, dass ein staatlich abgesicherter, regelmäßiger Unterricht für den Erhalt der Sprache und die Vermittlung der Tradition unabdingbar ist. Die Verhandlungen mit der Regierung von Schwaben und dem Schulamt hatten schließlich Erfolg und der Mesopotamien Verein wurde als Träger der Assyrischen Schule verpflichtet. In einem Schreiben vom 19. August 1981 teilte das bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus folgendes mit:

„Das Staatsministerium hat der Regierung von Schwaben eine Möglichkeit aufgezeigt, Religionsunterricht in aramäischer Sprache an Grund- und Hauptschulen in Augsburg zu erteilen. Diese Regelung sieht die Übernahme dieses Unterrichtsangebots durch einen freien Träger und die Erstattung der anfallenden Personalkosten durch den Freistaat Bayern vor […]“.

Damit wurde der Verein als freier Träger anerkannt.

1987 wurden – ausgelöst durch die Meinungsverschiedenheiten zwischen Bischof Cicek und der Assyrischen Bewegung – die Mittel gestrichen. Die Schule konnte dennoch auf ehrenamtlicher Basis bzw. durch Finanzierung des Diakonischen Werks von Issa Hanna fortgeführt werden. 1990 wurde die Trägerschaft für den Unterricht dem Augsburger Kirchenrat übertragen.

Die Gründung des Mesopotamien Vereins

Mitte der 70er Jahre entstand mit dem Anwachsen der assyrischen Gesellschaft das Bestreben neben der Kirche eine zivile Organisation zu gründen. Unterstützung für diese Idee kam auch von Mitgliedern der Assyrischen Demokratischen Organisation (ADO). Ein wichtiges Anliegen war zudem die politische Situation der Assyrer in den Heimatländern, d.h. die Unterdrückung und Verfolgung der Christen, bekannt zu machen. Diese gesamten Aktivitäten waren in der Heimat aufgrund der politischen Lage nur bedingt möglich gewesen. Die Assyrer hatten in der Diaspora schnell erkannt, dass hier im Westen nicht nur die Religion, sondern auch die ethnische Identität für das Überleben unseres Volkes von großer Wichtigkeit ist.