Gründung

Mitte der 70er Jahre war die Anzahl der in Augsburg ansässigen Assyrer derart angestiegen, dass man die Notwendigkeit sah, sowohl ein kulturelles Zentrum, als auch eine Begegnungsstätte zu gründen. Somit entstand aus dieser Idee heraus am 28. Oktober 1978 der Mesopotamien Verein e.V. Augsburg.

Die bereits als Gastarbeiter in Augsburg wohnenden Assyrer und die aufgrund zunehmender Unterdrückung, Diskriminierung und Vertreibung durch die muslimischen Staaten zugezogenen Flüchtlings-Assyrer haben diesen Verein als eine Institution zur Interessenvertretung des assyrischen Volkes und als Selbsthilfeorganisation bei behördlichen und sprachlichen Problemen ins Leben gerufen. Daher hat es sich der Verein zur Aufgabe gemacht die assyrische Kultur, Tradition und Sprache zu pflegen und darüber hinaus die Integration seiner Mitglieder und Landsleute in die hiesige Gesellschaft zu fördern.

Gründungsveranstaltung und Satzung

Getragen von diesen Ideen haben aktive Jugendliche im Jahre 1976 in Augsburg eine Kultur- und Informationsveranstaltung organisiert, an der zahlreiche Assyrer aus Augsburg und ganz Deutschland sich versammelten. Im November 1977 erschien mit „Egartho – der Brief“ die erste assyrische Zeitschrift in Europa. Sie wurde in vier Sprachen herausgegeben, dessen Chefredakteur Yoken Bar Yoken war. Die Zeitschrift wurde an viele Familien verteilt. Nach der Gründung des Zentralverbands der Assyrischen Vereine (ZAVD) wurde die Zeitschrift auf diesen übertragen.

Nach mehreren losen Gesprächen haben sich am 5. August 1978 laut Protokoll folgende Assyrer zu einem Treffen im Sozialbüro in der Maximilianstraße zusammengefunden, um die Gründung eines Vereins zu beschließen:

Minteha Ayaz, Anton Cakir, Issa Hanna, Lahdo Malki, Habib Sag, Gebro Aydin, Hanne Akcan, Sabri Cansu, Melki Ögunc, Hanun Mert, Saumi Isik, Cemil Yasli, Aziz Kalayci, Musa Erdis, Bedros Isler, Israel Makko, Ishak Celik und Gebro Isler.

Bei diesem Treffen wurde über verschiedene Vorschläge zur Bezeichnung des Vereins, z.B. Assyrischer Jugendklub Augsburg, Assyrische Union Augsburg oder Tur-Abdin-Verein, diskutiert, wobei von der Mehrheit der Name „Mesopotamien Verein“ favorisiert und schließlich beschlossen wurde. Damit wurde zum Ausdruck gebracht, dass sich der Verein als überkonfessionell definiert und folglich nicht nur die syrisch-orthodoxen Christen aus dem Tur Abdin/Türkei ansprechen möchte, sondern alle Assyrer, auch anderer Religionszugehörigkeiten Mesopotamiens (Türkei, Syrien, Irak, Iran, Libanon) zugehörend, wie z.B. die Christen der Apostolischen Kirche des Ostens, die Chaldäer, die syrisch-katholischen und die syrisch-evangelischen Christen, miteinbezieht.

In jener Sitzung legten die Anwesenden auch die Ziele und Aufgaben des Vereins fest. Der Zweck des Vereins ist es:

  • seinen Mitglieder und Landsleuten im sozialen Bereich nützlich zu sein und Informationen über die assyrische Kultur zu erteilen, um diesen die Möglichkeit auf ein gesellschaftliches Leben zu eröffnen.
  • seinen Mitgliedern, die bei den Behörden sprachliche Schwierigkeiten haben, nach Möglichkeit des Vorstandes zu helfen.
  • für sportlich interessierte Mitglieder die Möglichkeiten zu schaffen, Betätigungsfelder zu schaffen.
  • die Sprachkenntnisse der Mitglieder im Deutschen zu fördern, beispielsweise durch die Veranstaltung von Sprachkursen.
  • zwischen den Mitgliedern und Deutschen Kontakt zu schaffen.
  • mit den anderen Vereinen, die gleichen oder ähnlichen Zweck verfolgen, zusammenzuarbeiten

Gründungsvorsitzender wurde Herr Israil Makko. Zum Vorstand gehörten außerdem:

Schriftührer Sabri Cansu
Kassenwarte Hanne Akcan, Anton Cakir und Ibrahim Mutlu
Aufsichtsrat Issa Hanna, Savme Isik und Aziz Kalayci (1993 im Tur Abdin ermordet)
Vorstandsmitglieder Gebro Aydin, Cemil Yasli und Hanun Mert

Am 04.09.1978 wurde der Mesopotamien-Verein offiziell in das Augsburger Vereinsregister eingetragen. Am 28.10.1978 fand die Einweihung der Vereinsräume im Äußeren Pfaffengässchen 36 im Domviertel statt.

Die Gründungsfeier

Die offizielle Gründungsfeier erfolgte am 30.12.1978 im Moritzsaal. Der Verein hatte dazu ein umfangreiches Programm mit kleinen Theaterstücken und Sketchen, Folkloretänzen, Liedern und einer Tombola vorbereitet.

Unter den zahlreichen assyrischen und deutschen Gästen befanden sich, neben weltlichen und kirchlichen Repräsentanten, der damalige Bischof Dr. Josef Stimpfle und der Historiker Dr. Rudolf Grulich. Wie dem Programmheft zu entnehmen ist, war es von Anfang an ein erklärtes Ziel des Mesopotamien Vereins, mit den deutschen bzw. interkulturellen Institutionen der Stadt Augsburg zusammenzuarbeiten und den Verein somit in der hiesigen Gesellschaft fest zu verankern. Dazu gehörte eine breite Aufklärungsarbeit über unser Volk. „Wir hoffen, daß unser Festprogramm Ihnen gefallen wird und dass Sie am Ende der Veranstaltung über die heutigen Assyrer, ihre Folklore aber auch ihre Probleme etwas besser Bescheid wissen als zu Beginn. […] Wir haben auch einen Informationsstand eingerichtet, an dem Sie eine Ausstellung assyrischer Zeitschriften und Bücher aus der ganzen Welt besichtigen können.“

Es gab an diesem Abend auch Ansprachen des Vorsitzenden Israil Makko sowie der 2. Vorsitzenden Minteha Ayaz, in der diese die Ziele und Ideen des Vereins anschaulich darlegten und ein Rückbewusstsein auf die alte assyrische Kultur als eines der Ziele des Vereins darlegten, ohne dabei jedoch die Entwicklungen von beinahe zwei Jahrtausenden syrischem Christentum zu missachten.

Der mittlerweile verstorbene Bischof von Augsburg, Dr. Stimpfle, war für die Assyrer von Anfang an ein sehr wichtiger Freund und Fürsprecher, der ihnen in allen Belangen immer solidarisch und loyal zur Seite stand. Als Befürworter der Ökumene hatte er keine Berührungsängste mit anderen christlichen Konfessionen und feierte zahlreiche Gottesdienste zusammen mit dem syrischen Pfarrer Bitris Ögunc. Er widmete sich in seiner Rede vor allem den Hintergründen des damaligen Krieges im Libanon.

In der Öffentlichkeit stieß die Gründungsveranstaltung auf große Resonanz. Zahlreiche Pressevertreter waren anwesend. Die Feier -als „beste Veranstaltung der Woche“ gelobt – wurde mit einem Film darüber in allen Kinos der Stadt vor dem Hauptfilm gezeigt.

„Augsburger Allgemeine“; Dienstag, 2.Januar 1979