Aufgezwungene türkische Nachnamen

Namensänderung in der Bundesrepublik Deutschland – ein unüberwindbares Problem für die Assyrer?

I. Einleitung Seit Jahren versuchen viele Assyrer, deren assyrische Familiennamen während des Genozids (Seyfo) von 1915 und in der Folgezeit gegen deren Willen türkisiert wurden, unter nahezu unüberwindbaren Hürden seitens der deutschen Behörden zu ändern. Bereits die Tatsache, dass während des Seyfos (Genozid) 2/3 der assyrischen Bevölkerung ihr Leben unverschuldet lassen musste, belastet die Nachfahren der Überlebenden und Angehörige immer noch zutiefst. Selbst die heutigen Assyrer verspüren traumatische Erlebnisse, sobald vom Seyfo gesprochen wird.

Der Seyfo-Schmerz wird von Generation zu Generation weitergegeben. Dass sie Namen, die ihnen die Mörder und Peiniger ihrer Angehörigen gegeben haben, tragen müssen, verstärkt deren Schmerz umso mehr. Sie werden tagtäglich an den Völkermord, die Unterdrückung, die Misshandlungen sowie die Schikanen der Nachfahren der Mörder ihrer Angehörigen aufs Neuste erinnert, sobald sie den ihnen aufgezwungenen türkischen Familiennamen aussprechen.

Spätestens seit dem 11. September 2001 und den ständigen Attentaten fundamentalistischer Moslems werden auch die christlichen Assyrer, die zwangsläufig einen türkischen Namen tragen, als potentielle Terroristen betrachtet und von den deutschen und europäischen Fahndern ins Visier genommen.

Daher ist es umso verständlicher, dass viele Assyrer unbedingt den aufgezwungenen türkischen Familiennamen ablegen und den assyrischen Familiennamen, unter dem die Assyrer untereinander nach wie vor bekannt sind, wieder tragen wollen.

Viele Assyrer haben sogar vergeblich versucht, die Frage nach dem „wichtigem Grund im Sinne des § 1 Namensänderungsgesetz (NÄG)“ gerichtlich klären zu lassen. Die Begründung der verschiedenen Gerichte ist aus Sieht der assyrischen Antragsteller eher als zweifelhaft zu beurteilen. Dieser Beitrag befasst sich zunächst mit den gesetzlichen Regelungen des Namensänderungsgesetzes. Sodann werden einige wichtige Gerichtsentscheidungen näher erläutert.

II. Namensänderungsgesetz

Zu den wichtigsten Vorschriften, die bei der Namensänderung eine Rolle spielen, gehören, die §§ 1, 3 und 3a des NÄG sowie die Verwaltungsvorschriften zum Namensänderungsgesetz.

In § 1 des NÄG ist verankert, dass ein Familienname auf Antrag geändert werden kann. Trotz der ausdrücklichen „Kann“-Formulierung in § 1 NÄG ist es in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Behörde im Rahmen der Feststellung eines „wichtigen Grundes“ im Sinne des § 3 NÄG weder ein Ermessens- noch ein Beurteilungsspielraum zusteht. Es handelt sich vielmehr um ein gerichtlich vollen Umfangs überprüfbaren unbestimmten Rechtsbegriff. Es besteht also ein Rechtsanspruch auf die Vornahme der Namensänderung, wenn die Voraussetzungen für das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne der genannten Vorschrift erfüllt sind (Vgl. BVerwG, Urt. Vom 07.01.1994 – 6 C 34.92 –BverwGE 95,21).

Da der Begriff des „wichtigen Grundes“ in dem § 3 NÄG nicht eindeutig geklärt ist, enthält die allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen (NamÄndVwV) eine nähere Präzisierung. Danach liegt ein wichtiger Grund vor, wenn das schutzwürdige Interesse des Namensträgers – seinen Namen abzulegen und einen neuen anzunehmen – das öffentliche Interesse an der Beibehaltung des Namens überwiegt. Die Gründe des Namensträgers, anstelle seines Namens künftig einen anderen Namen zu führen, müssen so wesentlich sein, dass die Belange der Allgemeinheit, die vor allem in der sozialen Ordnungsfunktion des Namens und dem Sicherheitsinteresse an der Führung des neuen Namens ihre Grundlagen haben, zurücktreten müssen.

Ist gemäß § 3 a NÄG ein deutscher Staatsangehöriger, der die deutsche Staatsangehörigkeit nach dem 1. Januar 1919 erworben hat, daran gehindert, seinen früheren Familiennamen oder Vornamen zu führen, weil ihm dies vor seiner Einbürgerung durch ein Gesetz oder eine Verwaltungsmaßnahme seines früheren Heimatstaates verboten war, so liegt ein wichtiger Grund zur Änderung im Sinne des § 3 Abs. 1 vor, wenn durch das Gesetz oder die Verwaltungsmaßnahme des früheren Heimatstaates überwiegend Angehörige einer deutschen Minderheit betroffen waren.

III. Rechtsprechung

Die erste dem Verfasser bekannte Gerichtsentscheidung bezüglich der Namensproblematik von Assyrern wurde vom Verwaltungsgericht Augsburg am 12.03.2002 erlassen. Das Verwaltungsgericht ging davon aus, dass eine zwangsweise Änderung der assyrischen Familiennamen durch den türkischen Staat nicht geschehen sei. Zur Begründung führte es aus, dass sich aus den eingeholten Auskünften der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Ankara vom 23.11.2001 und vom 25.01.2002 ergäbe, dass am 02.01.1935 in der Türkei das Gesetz über die Nach- bzw. Familiennamen (Gesetz Nr. 2525 vom 21.06.1934) in Kraft getreten sei. Bis 1935 habe es in der Türkei keine den deutschen Vor- und Familiennamen entsprechenden Bezeichnungen einer Person gegeben. Eingetragen sei auf Grund des Art. 3 des osmanischen Personenstandsgesetzes lediglich der Name und gegebenenfalls ein Beiname, unter dem jemand bekannt gewesen sei. Sofern die syrisch-orthodoxen Christen in der Türkei unter einander (assyrische Familiennamen) geführt hätten, seien diese staatlicherseits nicht anerkannt gewesen. Der Vater des Klägers habe bei Schaffung des Gesetzes im Jahre 1935 das Recht gehabt, seinen Familiennamen zu ändern. Art. 3 des Gesetzes Nr. 2525, wonach Namen fremder Nationen und Rassen nicht mehr verwendet werden dürften, habe ihn nicht daran gehindert, einen assyrischen Familiennamen im Allgemeinen und den traditionellen Familiennamen im Besonderen zu wählen, da die syrisch-orthodoxen Christen in der Türkei zu keiner Zeit als andere Rasse oder Nation betrachten worden seien.

Das Verwaltungsgericht Gießen wies am 19.01.2004 die Klage eines in der Bundesrepublik Deutschland geborenen Assyrers ab, ohne dabei konkret darauf einzugehen, ob in seinem Fall ein wichtiger Grund im Sinne des Namensänderungsgesetzes vorgelegen habe. Im Urteil heißt es: „Die von ihm dargelegte und glaubhafte Verleihung eines eher ungeliebten Familiennamens durch die türkischen Behörden anlässlich der erstmaligen Einführung von Familiennamen im Jahre 1935 begründet keinen wichtigen Grund.“ Eine weitergehende Erforschung der genauen Umstände der Annahme des Familiennamens durch die Vorfahren des Klägers sei deshalb nicht relevant und es könne nach Ansicht des Gerichts dahinstehen, ob eine gewisse Form des staatlichen Drucks hinter der Namensverleihung gestanden habe.

Das Verwaltungsgericht Minden wies am 19.05.2005 eine Klage wegen Namensänderung zwar ab, ließ die Berufung wegen der grundsätzlichen Wichtigkeit zu. Die Entscheidung über die Berufung steht noch aus. Das Gericht ging zwar zugunsten des Klägers davon aus, dass es „im Rahmen der Entstehung des türkischen Staates in den Jahren 1916 bzw. 1923 zu Übergriffen gegenüber christlichen Minderheiten wie etwa den assyrischen Christen kam.“ Es spreche vieles dafür, dass die Übernahme des Namens des Klägers im Zuge staatlicher Repressalien und nicht auf den freien Willen der Betroffenen erfolgte. Allerdings seien weder der Kläger selbst noch seine Eltern von der staatlichen Zwangsmaßnahme unmittelbar betroffen gewesen. Vielmehr seien hierbei die Großeltern unmittelbar betroffen gewesen. Die Wiederherstellung eines Familiennamens, der bereits in der Elterngeneration nicht mehr fortgeführt worden sei, sei nach allgemeinen namensrechtlichen Grundsätzen regelmäßig nicht schützenswert. Der Name diene nämlich dazu, die unmittelbar Abstammung zu Kennzeichnen. Bei einer Unterbrechung der Namenskontinuität sei daher der Wunsch, einen u.U. Generationen zurückliegenden Namen wieder anzunehmen, zwar aus Gründen der Pietät und Wahrung der Familientradition subjektiv beachtlich, aber nicht wichtig im Sinne des Gesetzes.

Weiterhin wurde zur Begründung der Ablehnung angegeben, dass der begehrte Name des Klägers nicht nach der Nr. 37 II NamÄndVV die Eingliederung fördere.

Erfreulich ist in diesem Zusammenhang, dass es auch positive Entscheidungen diesbezüglich gegeben hat, wobei die Begründungen eher unterschiedlich und nicht unbedingt hilfreich für andere Assyrer gewesen sind.

Das Verwaltungsgericht Hamburg hat mit Urteil vom 16.05.2002 einer Klage stattgegeben. Das Gericht ging hierbei davon aus, dass für die Änderung des bisherigen Namens der Antragstellerin nicht nur Gründe geltend gemacht worden seien, die lediglich „vernünftig“ und nachvollziehbar seien, sondern auch besonders schwerwiegende und existenzielle Gründe. Zur Überzeugung des Gerichts stehe fest, dass der türkische Staat seit diesem Jahrhundert eine repressive Namenspolitik gegenüber ethnischen und nicht-muslimischen Minderheiten betreibe und diese zwingen würde ihre assyrischen Nachnamen abzulegen und stattdessen türkische Namen anzunehmen. Es sei in der Rechtsprechung anerkannt, dass ein wichtiger Grund für eine Namensänderung bestehe, wenn in der Zeit des Nationalsozialismus die Germanisierung des ausländischen bzw. ausländisch klingenden Namens rechtlich vorgeschrieben war oder auch politisch erpresst worden sei. Es läge deshalb ein kaum hinnehmbarer Wertungswiderspruch vor, wenn dies nach der Einbürgerung von Ausländern mit einem entsprechenden Verfolgungsschicksal nicht in gleicher Weise gehandhabt würde.

Eine vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof am 28.10.2004 ergangene Entscheidung gab einem Kläger Recht, weil der Name des Klägers Anlass zu Verunglimpfung gab. Nach Nr. 35 NamÄndVwV rechtfertigen Familiennamen, die unter anderem Anlass zu unangemessenen Wortspielen geben können, eine Namensänderung.

IV. Fazit/Stellungnahme

Die Entscheidungen der Verwaltungsgerichte Augsburg, Gießen und Minden sind davon gekennzeichnet, dass die angeführten Gründe nicht stichhaltig sind.

Das Verwaltungsgericht Augsburg legt eine Gesetzespraxis in der Türkei zugrunde, die es weder vor 1935 gab noch heute gibt. Häufig klaffen Gesetzesbestimmungen und deren Umsetzung in der Praxis erheblich auseinander. Dass die Namen der Christen in der Türkei am Anfang des 20. Jahrhunderts zwangsweise geändert wurden, belegen selbst Zeitzeugen wie Dr. Johannes Lepsius in seinem erschienen Buch „ Deutschland und Armenien – 1914 – 1918“. Unzutreffend ist ebenfalls, dass es keine den deutschen Vor- und Familiennamen entsprechenden Namen gegeben habe. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass selbst in Deutschland solche Familiennamen wie Müller, Schuster, Schneider oder Goldmann ursprünglich aus der beruflichen Tätigkeit der Namensträger entstanden sind. Bei den Assyrern gab es auch schon vor 1935 Familiennamen, die entweder aus der Berufsbezeichnung der Namensträger hergeleitet wurden oder einen christlichen Ursprung hatten. Ebenso tragen Deutsche Familiennamen wie Gabriel, Joseph oder Simon. Hierbei handelt es sich auch um Vornamen der Vorfahren der Namensträger. Dies ist vergleichbar mit den Familiennamen von Assyrern, die es vor der zwangsweise Türkisierung gegeben hat und von den Assyrern untereinander immer noch fortgeführt werden.

Es ist sehr verwunderlich, dass einige Gerichte – wie das Verwaltungsgericht Minden – einen aufgezwungenen Familiennamen mit einer pauschalen Begründung, der Antragsteller sei nicht selbst (unmittelbar) von der aufgezwungenen Namensgebung betroffen, ablehnen. Das Gericht erkennt nicht, dass die Überlebenden eines Völkermords (Großeltern) nicht imstande sein konnten, sich gegen das Unrecht des staatlichen Machtapparates zur Wehr zu setzen. Obwohl im Laussaner Vertrag von 1923 eindeutig verankert ist, dass alle „nicht-muslimischen“ Minderheiten dieselben Rechte wie die Moslems genießen, werden die Assyrer bis dato von diesen Rechten ausgeklammert. De Facto sind die Assyrer selbst in der heutigen Zeit auf dem Gebiet der heutigen Türkei nahezu rechtlos gestellt, was den deutschen Gerichten auch bekannt sein dürfte.

Weiterhin wird die psychische Komponente der Betroffenen völlig außer Acht gelassen. Sie werden dazu ***, mit dem Unrecht, dass ihren Vorfahren widerfahren ist, leben zu müssen. Den Namensänderungswilligen wird keine Möglichkeit eingeräumt, einen ihnen aufgezwungenen Namen los zu werden, um die Gräueltaten gegenüber ihren Vorfahren und möglicherweise auch gegenüber sie persönlich besser verarbeiten zu können.

Darüber hinaus ist das Argument, die ausländisch klingenden Namen der Assyrer seien nicht integrationsfördernd, wenig überzeugend.

Die gewöhnlichen assyrischen Familiennamen haben in der Regel einen christlichen Ursprung, so dass sie zumeist eher zur Integration beitragen können, als die typischen aufgezwungenen türkischen Familiennamen. Die Änderung der von den Assyrern gewünschten Familiennamen stellt für die deutschen Behörden im Zeitalter der Computer keinen großen Aufwand dar. Die Änderung, Weiterleitung und Speicherung der neuen Namen kann mit wenigen Tastendrucken vollzogen werden. Auf diese Weise wird den Nachfahren der Völkermordsopfer geholfen, die Erlebnisse ihrer Vorfahren besser zu verarbeiten.

Abgesehen davon ist es völlig unverständlich, dass deutsche Behörden von Integrationsfeindlichkeit bei assyrischen Namen reden, während durch die EU-Erweiterung fremde Namen etwas alltägliches und gewöhnliches sein sollten.

Schließlich wird von vielen Juristen im Schrifttum das Namensänderungsgesetz, das aus dem Jahre 1938 stammt, als veraltet und nicht mehr zeitgemäß betrachtet.

Es bleibt zu hoffen, dass die deutschen Gerichte und Behörden sich der Zeit möglichst bald anpassen und den Betroffenen ermöglichen ihre gewünschten Namen zu erhalten.

Rechtsanwalt K. Meytap

bethnahrin.de bedankt sich bei Rechtsanwalt Kuryo Meytap zur Verfügungstellung dieses Artikels.
Bei diesem Artikel handelt es sich um einen externen Artikel und wurde daher unverändert publiziert.
(auch erschienen in der zweiten Ausgabe von Funoyo im Jahre 2007)

 

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