Man mag es zunächst als eine Art Aprilscherz halten, wenn man am 01. April ein frohes neues Jahr wünscht. Doch für das assyrische Volk ist das Akitu-Fest ein Teil ihres jahrtausendalten Erbes. Wir schreiben das Jahr 6764 – Shato Othureito brichto! Alljährlich feiern weltweit die Assyrer (Suryoye) zu dieser Zeit das Akitu Fest, dessen Ursprünge auf die Gründung des Assur-Tempels in der antiken assyrischen Hauptstadt Assur 4750 v. Chr. zurückgeht.
Der Assyrische Mesopotamien Verein Augsburg e. V. begrüßte am Sonntag Vormittag zahlreiche Gäste, Freunde und Mitglieder zum alljährlichen Neujahrsempfang.
Der Vorsitzende der SPD-Stadtratsfraktion, Dr. Stefan Kiefer und der amtierende Bürgermeister, Peter Grab, wünschten in ihren Reden den Assyrern ein frohes neues assyrisches Jahr. Beide Lokalpolitiker ließen es sich auch nicht nehmen, dies in der Sprache der Assyrer zu sagen.
Peter Grab lobte das Engagement des Assyrischen Vereines, in dem mittlerweile junger Nachwuchs Verantwortung übernommen hat. Dies hat sich letztes Jahr, aber auch heuer bemerkbar gemacht. Was vor den Kommunalwahlen galt, das gilt auch danach und man freue sich weiterhin, die Augsburger Assyrer zu besuchen. Ähnlich äußerte sich Dr. Stefan Kiefer.
Mit einer gedanklichen Reise verschaffte Nurba Yacoub den Gästen im Grußwort des Assyrischen Mesopotamien Verein Augsburg einen kleinen Rückblick in die Heimat der Assyrer bis hin zur Flucht in die Diaspora. 1915 beschlossen die Jungtürken die Vernichtung aller christlichen Minderheiten im Osmanischen Reich. Diesem Völkermord sind sowohl die Armenier als auch die Assyrer und Pontos-Griechen zu Opfer gefallen. Selbst 99 Jahre nach dieser schrecklichen Tat, leugnet die türkische Regierung diesen Genozid. Bis heute kommen die Assyrer in der Türkei nicht zur Ruhe. Zuletzt wurde versucht, ihnen das syrisch-orthodoxe Kloster Mor Gabriel zu enteignen. Auch die sehr bedrohliche Lage in den Ländern Irak, Iran und Syrien wurde angesprochen. Die Assyrer seien jedoch nicht nur Opfer, sondern haben in Deutschland viel erreicht. So gründeten sie Vereine, machten sich selbstständig, nutzten die Chance, die ihnen in ihren Heimatländern oftmals verwehrt wurde und bildeten sich. In Augsburg haben die Assyrer ein neue Heimat gefunden. Dafür vielen Dank.
Von Nurba Yacoub angeschnitten, führten die Hauptredner das Thema fort. John Gültekin und Silvia Kulan haben an dem Hospitantenprogramm des Assyrischen Jugendverbandes Mitteleuropa (AJM) teilgenommen. Dabei wurde beiden ermöglichkeit, in den Irak zu reißen und sich Einblicke über die Lage der Assyrer zu verschaffen. Gültekin begann mit allgemeinen Daten. So wurde zunächst ein Gesamtüberblick über die Situation der Assyrer im Irak verschafft; Zahlen – Daten – Fakten, die humanitäre Lage, politische Lage, soziale Lage sowie Verfolgung und Unterdrückung. Der frühere Vorsitzende des AJMs zeigte auf, dass seit dem Jahr 2004 bis heute etwa 70 christliche Kirchen bombadiert wurden. Menschen werden von islamischen Extremisten entführt und ermordet, unschuldige Mädchen vergewaltigt sowie zwangsislamisiert. Jedoch gibt es – wenn auch nur wenige – Erfolge in der politischen Landschaft des Iraks. In der irakischen Verfassung wurde u. a. die (as)syrische Sprache als Amtssprache verankert.
Emotional wurde es, als Silvia Kulan über Erlebnisse assyrischer Familien im Irak referierte. Spätestens hier realisierten die Anwesenden, in welcher bedrohlichen Lage sich die Assyrer im Irak aber auch im gesamten Nahen Osten befinden. Viele Gäste waren einfach nur noch fassungslos und hatten Tränen in den Augen. Die junge Hospitantin berichtete zum Beispiel über einen Fall, bei dem ein junger Mann entführt wurde und die Familienmitglieder bis heute nichts über dessen Verbleib wissen. Oder auch von einer Fahrt mit ihrer Gastfamilie zu einem kulturellen Fest, bei der ihr Kleinbuss mit Steinen beworfen wurde. Bei einem anderen Vorfall zeigte sich die noch bestehende Intoleranz gegenüber nicht arabischen Minderheiten im Irak. In einer englischsprachigen Unterhaltung mit einer fremden Person wurde immer wieder versucht, die in Deutschland lebende Studentin nicht als Assyrerin und somit nicht als Mitglied des ethnischen Ursprungvolkes im Irak zu akzeptieren.
Erstmalig in der Geschichte des Assyrischen Mesopotamien Verein Augsburg wurde der Akitu-Preis ausgegeben. Mit seinem überaus großen Engagement, konnte Dr. Abrohom Lahdo sehr viel in der assyrischen Bewegung erreichen. Der in Wiesbaden lebende Mediziner war stets um die Intensivierung der Kulturpflege bemüht. Er verfasste beispielsweise mehrere Musikstücke und leitet mit dem Mor Afrem Chor in Wiesbaden eines der bekanntersten syrisch-orthodoxen Chöre der Assyrer.
Einer von vielen Gründen, um so eine außergewöhnliche Person auszuzeichen, so Gebro Goge und Barsovm Alp, die ihm die Auszeichnung überreichten.
Dr. Abrohom Lahdo bedankte sich recht herzlich für den Akitu-Preis und wies auf die entführten syrischen Bischöfe hin. Wie bereits berichtet, wurden am 22.04.2013 der syrisch-orthodoxe Bischof, Mor Gregorios Yohanna Ibrahim und der griechisch-melkitische Bischof, Mor Boulose Yazigi, in Aleppo entführt. Bis heute fehlt jegliches Lebenszeichen von beiden Würdenträgern.
Wir hoffen, dass der diesjährige Neujahrsempfang unseren Gästen gefallen hat und möchten uns bei allen Helfern für die Unterstützung bedanken. Insbesondere bei der Frauengruppe, die wieder einmal das tolle assyrische Buffet vorbereitet hatten.
Ein großes Dankeschön auch an Edip Mutlu für die Videoaufnahme, sowie Marianne Brückl und Hazze Alp für die zur Verfügung gestellten Bildern.
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