Warum tragen Aramäer/Assyrer, die aus der Türkei stammen, türkische Familiennamen?
Dies hat folgenden geschichtlichen und politischen Hintergrund: Bis 1935 gab es in der Türkei keine den deutschen Vor- und Familiennamen entsprechenden Bezeichnungen einer Person. Eingetragen wurden aufgrund des osmanischen Personenstandsgesetzes lediglich der Name und gegebenenfalls ein Beiname, unter dem jemand bekannt war. Dies änderte sich erst mit dem am 02.01.1935 in Kraft getretenen Gesetz über die Familiennamen (Gesetz Nr. 2525 vom 21.06.1934). Ziel war einerseits die Modernisierung des Staats- und Rechtswesens in Ausrichtung auf westeuropäische Standards unter Atatürk, andererseits die Bildung und Förderung eines türkischen Nationalbewusstseins. In der Konsequenz bedeutete letzteres aber auch, dass die Herkunft nichttürkischer ethnische Minderheiten ausgelöscht werden sollte. Es war also eine von vielen Maßnahmen zur Assimilierung ethnischer Minderheiten in der Türkei. So wurden später ebenfalls die aramäischen/assyrischen Namen der Dörfer im Tur Abdin in türkische Namen umbenannt.
Wie wurde nun das Gesetz 2525 im Tur Abdin umgesetzt?
Ich habe hierzu meinen Großvater befragt. Er schilderte mir das wie folgt: Er war damals ein kleiner Junge, aber er könne sich noch gut daran erinnern. Eines Tages sei ein Churi Aziz, genannt „Kfarsoyo“ (damals noch ohne geistliches Amt) ins Dorf gekommen. Dieser Churi Aziz sei ein „Koy Katib Yasici“, eine Art Betreuer in behördlichen Angelegenheiten. Es habe im Tur Abdin mehrere Aramäer/Assyrer gegeben, denen als Koy Katib Yasici die Aufgabe übertragen worden war, die Anweisungen der zuständigen Behörden umzusetzen. Ihnen sei jeweils eine bestimmte Region mit einigen aramäischen/assyrischen Dörfern zugeteilt gewesen.
Churi Aziz habe die Dorfbewohner darüber informiert, dass es ein neues Gesetz gebe und dass sie nun alle türkische Familiennamen führen müssten. Dann habe er die einzelnen Familienoberhäupter gefragt, welchen türkischen Familiennamen sie denn annehmen wollten. Viele hätten von sich aus gar keinen Namen genannt, so dass Churi Aziz dann einfach verschiedene Namen vorgeschlagen habe. Meinem Urgroßvater wurde der Name „Ay“ vorgeschlagen. Das ist der türkische Name für „Mond“. Aziz habe gesagt, das sei doch ein schöner Name und damit hieß unsere Familie zunächst Ay. Churi Aziz habe dann einigen anderen aramäischen/assyrischen Nachbarn ebenfalls den Namen Ay vorgeschlagen und für sie bestimmt. Diesen Namen habe man einige Zeit geführt, bis man feststellte, dass es besser sei, wenn jeder einen eigenen anderen und damit unterscheidbaren Namen führen sollte. So sei dann der Name von Ay auf Aydin geändert worden.
Und leider heißt meine Familie bis zum heutigen Tage so. Doch sie wird die Namensänderung demnächst in Angriff nehmen.
War die Wahl des traditionellen aramäischen/assyrischen Familiennamens möglich?
Auf meine Nachfrage, warum denn nicht der traditionelle Name Djallo (gem. türkischem Alphabet wäre es ein „Callo“) gewählt worden sei bzw. ob es dies überhaupt möglich gewesen sei, antwortete mir mein Großvater, dass dies überhaupt nicht in Frage kam, da Churi Aziz die Vorgabe hatte, dass alle Familien aus seinem Zuständigkeitsgebiet einen türkischen Familiennamen erhalten sollten. Ich hakte nach und fragte, was denn passiert worden wäre, wenn Churi Aziz doch aramäische/assyrische Namen aufgenommen hätte. Mein Großvater sagte, dass man ihn in diesem Falle bestimmt bestraft hätte und eventuell auch die betreffende Familie. Mein Großvater empfand diese Frage im übrigen als abwegig. Er sagte, man wäre gar nicht auf die Idee gekommen, sich derartigen behördlichen Anweisungen zu widersetzen. Man sei stets froh gewesen, wenn man den Behörden möglichst keine Probleme bereitet hatte, denn man wusste oder ahnte, zu welchen Taten diese fähig wären (siehe „Seyfo“ und sonstige Übergriffe bis in die heutige Zeit hinein).
Ich denke, diese Aussagen zeigen eindeutig, dass die türkischen Familiennamen nicht frei gewählt wurden, sondern zwangsweise auferlegt wurden. Jeder einzelne mag sich in seiner Verwandtschaft oder bei Bekannten oder in der Gemeinde umhören, ob noch jemand ausfindig zu machen ist, der die Vergabe der türkischen Familiennamen noch miterlebt hat. Diese Person könnte dann als Zeuge aufgeführt werden. Auch kann jemand benannt werden, dem mitgeteilt wurde, wie die Auferlegung des türkischen Familiennamens erfolgte (Zeuge vom Hörensagen). Wenn man insoweit keinen Zeugen benennen kann, macht dies gar nichts. Die sonstigen Umstände reichen aus, von einer zwangsweisen Auferlegung eines türkischen Familiennamens auszugehen (siehe auch Begründung im Musterantrag in der Anlage).
Änderung des Familiennamens in der Türkei möglich?
Gelegentlich kommt im Rahmen eines Namensänderungsverfahrens seitens der Behörden oder später des Verwaltungsgerichts der Einwand, der antragstellende Aramäer/Assyrer bzw. dessen Eltern oder Großeltern hätte doch in der Türkei schon die Namensänderung durchführen können. Dieser Einwand beruht im Zweifel auf Unkenntnis, denn ansonsten ist er nur als zynisch zu bezeichnen. Nach meinen Informationen gab und vor allem gibt es für einen Aramäer/Assyrer zu keiner Zeit seit dem Gesetz Nr. 2525 die Möglichkeit, in der Türkei einen nichttürkischen Familiennamen anzunehmen. Dies beweist exemplarisch ein Fall eines Aramäers/Assyrers aus dem Jahre 2007, welcher zunächst in der Schweiz seinen traditionellen Namen annahm, dieses auch in der Türkei versuchte (er hatte beide Staatsangehörigkeiten) und damit bis in letzter Instanz scheiterte, so dass er nun den Fall vor dem EuGH in Straßburg weiterverfolgt (vgl. Anlage , hier der Link http://www.aina.org/news/20080211032311.htm). Ich habe den ihn vertretenden Rechtsanwalt Rudi Sümer aus Midyat kontaktiert und auch er bestätigte, dass es gemäß der Gesetzeslage für einen Aramäer/Assyrer derzeit nicht möglich sei, einen nichttürkischen Familiennamen anzunehmen. Ganz aktuell wird das Verbot für die Benutzung nicht-türkischer Familiennamen vor dem türkischen Verfassungsgericht verhandelt (siehe Meldung in suryoyonews.com, hier der Link (http://www.suryoyonews.com/index.php?option=com_content&view=article&id=471:verbotes-von-nicht-tuerkischen-nachnamen&catid=61:news&Itemid=157).
Was ist rechtliche Grundlage für eine Namensänderung?
Rechtliche Grundlage hierfür ist der § 3 Namensänderungsgesetz (NÄG). Demnach muss ein „wichtiger Grund“ die Änderung rechtfertigen. Ein wichtiger Grund ist gegeben, wenn das schutzwürdige Interesse des Namensträgers, seinen Namen abzulegen und einen neuen anzunehmen, das öffentliche Interesse an der Beibehaltung des Namens überwiegt. Als Maßstab für die Bewertung, was als wichtiger Grund anzuerkennen ist, sind u. a. die nach § 13 NÄG erlassenen allgemeinen Verwaltungsvorschriften der Bundesregierung – NamÄndVwV – zu berücksichtigen.
Wie sieht die Rechtsprechung zur Namensänderung bei Aramäern/Assyrern aus?
Es sind mittlerweile diverse Entscheidungen ergangen. Es gibt wenige positive Urteile. Leider aber sind die negativen Urteile in der Mehrzahl. Dies verwundert allerdings nicht, denn die jedenfalls in der Vergangenheit positiv beschiedenen Anträge kommen ja gar nicht erst vor das Gericht. Es kommt nur dann zu einem Gerichtsverfahren, wenn die Behörde vorher den Antrag ablehnt hat und der Antragsteller dagegen klagt. Da bis dahin aber regelmäßig die tatsächlichen Umstände sowie die rechtliche Bewertung ausgetauscht sind, ist es naheliegend, dass das Verwaltungsgericht in den überwiegenden Fällen die Position der Behörde bestätigt.
Als sehr ärgerlich ist vor allem anzusehen, dass das Oberverwaltungsgericht Münster zweimal, am 11.10.2002, Aktenzeichen 8 A 312/01, welches das negative des VG Düsseldorf vom 29.11.2000, Aktenzeichen 18 K 4424/00, bestätigte und am 11.07.2007, Aktenzeichen 16 A 2579/05, welches das negative Urteil des VG Minden vom 19.05.2005, Aktenzeichen 2 K 6400/03, bestätigte.
Spätestens das hat zur Folge, dass – ausgerechnet in Nordrhein-Westfalen, dem Bundesland mit den meisten Aramäern/Assyrern – die zuständigen Behörden den „wichtigen Grund“ des § 3 NÄG noch restriktiver handhaben, als sie es schon vorher getan haben. Denn für einen Standesbeamten ist es der viel einfachere Weg und letztlich auch konsequent, sich an die aktuelle Rechtsprechung des für seinen Bezirk zuständigen Verwaltungsgerichts oder gar des zuständigen Oberverwaltungsgerichts zu halten. Entsprechend höre ich in den letzten Jahren, dass es gerade in Nordrhein-Westfalen so gut wie unmöglich geworden sei, seinen Familiennamen zu ändern. Vielfache negative Erfahrungen werden aber auch in anderen Bundesländern gemacht. Als positiv sind wohl u. a. Hamburg und Berlin hervorzuheben. So habe ich meinen Antrag auf „Djallo“ unmittelbar positiv beschieden bekommen, problematisch wurde es erst, als ich „Be Djallo“ heißen wollte (dazu unten).
Liegt nun ein wichtiger Grund gem. § 3 NÄG vor? Wie begründe ich das?
Aus meiner Sicht besteht bei einem Aramäer/Assyrer ohne jeden Zweifel ein wichtiger Grund gem. § 3 NÄG, seinen bzw. seinen Vorfahren in der Türkei zwangsauferlegten türkischen Familiennamen in den traditionellen Familiennamen zu ändern.
Ich habe ein Musterschreiben für eine Begründung des Antrags in der Anlage beigefügt. Selbstverständlich ist das nur eine Orientierung und Hilfe. Ein jeder mag seinen Antrag so begründen, wie er es für richtig hält.
Das sind aus meiner Sicht die wesentlichen Punkte, die ein solcher Antrag enthalten sollte:
1. Die entscheidende Tatsache, die einen wichtigen Grund im Sinne des § 3 NÄG darstellt, ist das Gesetz 2525, welches in der Türkei am 02.01.1935 in Kraft trat, wonach Namen fremder Nationen und Rassen nicht mehr verwendet werden durften. Hier muss überzeugend dargelegt werden, dass die Auferlegung des türkischen Familiennamens zwangsweise erfolgte. Die aus meiner Sicht wesentlichen Kriterien, die dafür sprechen, habe ich im Musterschreiben dargelegt.
In diesem Zusammenhang könnte auch folgender Hinweis hilfreich sein (aus dem Urteil des VG Hamburg vom 16.05.2003 – 6 VG 1069/2001):
Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass ein wichtiger Grund für eine Namensänderung besteht, wenn in der Zeit des Nationalsozialismus die Germanisierung des ausländischen bzw. ausländisch klingenden Namens rechtlich vorgeschrieben war oder auch politisch erpresst wurde. Es läge deshalb ein Wertungswiderspruch vor, wenn dies nach der Einbürgerung von Ausländern mit einem entsprechenden Verfolgungsschicksal nicht in gleicher Weise gehandhabt würde.
2. Als weitere, hilfsweise Begründung kann man vortragen, dass die Führung des türkischen Familiennamens objektiv unzumutbar ist. Hier ist auf den Völkermord („Seyfo“) zu verweisen, am besten mit Literaturhinweisen (ich habe im Musterantrag einige Quellen aufgeführt). Es sollte in diesem Kontext verdeutlicht werden, dass der türkische Name ein Symbol der Verfolgung und Vertreibung der Volks- und Glaubensgenossen darstellt.
Der alleinige Hinweis auf den „Seyfo“ reicht den Behörden aber in der Regel nicht aus, da aufgrund des lange zurückliegenden Ereignisses die Unmittelbarkeit der Betroffenheit verneint wird. Dies Unmittelbarkeit ist aber aus meiner Sicht dadurch gegeben, dass die offiziellen Stellen in der Türkei bis zum heutigen Tage, wie auch ganz aktuell der Ministerpräsident Erdogan, den Völkermord leugnen. Es geht dabei stets und in erster Linie um die Armenier, die Aramäer/Assyrer werden nicht mal bedacht, sind aber selbstverständlich inbegriffen. Ebenfalls, dass die Hauptverantwortlichen des Völkermords noch heute als Helden verehrt werden. Die Unmittelbarkeit und Unzumutbarkeit ist aber spätestens dann gegeben, wenn man als Aramäer/Assyrer aufgrund des zwangsweise auferlegten türkischen Familiennamens dem Lager der Täter zugeordnet wird. Ich finde gerade letzteres unerträglich und ich muss sagen, dass ich doch einigermaßen verwundert, ja enttäuscht bin, wie wenig diese Situation bei vielen Aramäern/Assyrern reflektiert wird.
3. Schließlich kann man auch auf die permanenten Missverständnisse und dadurch bedingten Integrationshemmnisse verweisen, da man aufgrund des türkischen Familiennamens als Türke und als Moslem angesehen wird. Neben der oben geschilderten persönlichen Betroffenheit muss man auch noch gegen Vorbehalte von außen ankämpfen, auf die man ohne einen türkisch-muslimischen Familiennamen nicht stoßen würde. Das sind aus meiner Sicht die drei wesentlichen Gründe, die man im Antrag darlegen könnte. Möglicherweise kann es im Einzelfall sogar sinnvoll sein, nur den ersten Grund (zwangsweise Umbenennung) aufzuführen. Den kann man formal sauber begründen, die Behörde muss anhand ausschließlich objektiver Kriterien entscheiden. Bei „Unzumutbarkeit“ wie in Grund 2 oder den „Integrationshemmnissen“ in Grund 3 kann man schon mal auf einen unsensiblen Sachbearbeiter treffen, der die Sache anders bzw. als nicht so gravierend ansieht und damit einen „wichtigen Grund“ gem. § 3 NÄG verneint.
Hierzu ein Zitat aus dem Urteil des VG Düsseldorf vom 26.11.2000, 18 K 4424/00: „Es macht keinen Unterschied, ob sich der Kläger – sollte dies der Fall sein – als Türke diffamieren lassen muss, oder als Ausländer anderer Herkunft. Da Deutsche türkischer Herkunft sowie Türken türkischer Herkunft gerade in … einen großen Teil der Bevölkerung stellen und sich in Deutschland etabliert haben, widerspräche es der Lebenswirklichkeit anzunehmen, der Kläger habe gerade deshalb Nachteile zu erleiden, weil er für einen Türken und nicht für einen anderen Südländer gehalten wird. Dies gilt ebenfalls für eine ungerechtfertigte Zuordnung des Klägers zum islamischen Glauben. Da sich Deutschland zu einer multikulturellen Gesellschaft wandelt, in der Angehörige verschiedener Religionen problemlos gemeinsam leben können, kann in der Stigmatisierung als Moslem kein Nachteil gesehen werden, der eine Namensänderung rechtfertigt.“ Ja, was soll man dazu sagen? Das ist derart an der Realität vorbei, da fällt einem nichts zu ein. Man könnte dem Gericht z ugute halten, dass diese Einschätzung vor dem 11.09.2001 erfolgte. Allerdings bestätigte das OVG Münster als Berufungsinstanz im Urteil vom 11.10.2002, 8 A 312/01, also nach dem dem 11.09.2001 diese Einschätzung des VG Düsseldorf, Zitat: „Soweit die Kläger mit der Antragsschrift nochmals vortragen, sie würden wegen ihres Namens durchweg d em türkisch-islamischen Kulturkreis zugeordnet, kann dies nach den vorstehenden Grundsätzen eine Namensänderung nicht rechtfertigen.“
Es könnte jedenfalls also sein, dass die Gründe 2 und 3 möglicherweise die Begründung zu 1 nicht zusätzlich verstärken, sondern verwässern, wenn die Behörde meint, darin das „eigentliche“, aber abzulehnende Motiv zu sehen. Das ist natürlich Spekulation, letztlich muss aus meiner Sicht trotzdem eine saubere Begründung hinsichtlich der zwangsweisen Namensänderung (also Ziffer 1) ausreichen. Ich will damit nur aufzeigen, dass es schwierig ist, verbindliche Vorgaben für einen Musterantrag machen.
Weitere Gründe, die man im Antrag oder in einem späteren Schriftwechsel mit der Behörde vortragen könnte:
Viele lästige Angelegenheiten würden sich erledigen. Man würde keine Post in türkischer Sprache mehr bekommen, keine Anrufe von türkischsprachigen Callcenter-Agenten, man müsste sich nicht mehr gegenüber Türken rechtfertigen, warum man trotz des türkischen Namens nicht türkisch spreche, ja selbst dafür, warum man es ablehne, als Türke bezeichnet zu werden usw.
Sollte die Behörde einem vorhalten, warum man lange den türkischen Namen geführt habe und „auf einmal“ die Änderung wünscht, kann man erwidern, dass man sich erst jetzt bewusst mit dem lebensgeschichtlichen Hintergrund als Aramäer/Assyrern auseinandergesetzt und die politische Dimension der Namenspolitik des türkisches Staates intellektuell in vollem Umfang erfasst habe.
Man kann seine persönliche Betroffenheit (im Kontext Integrationshemmniss) desweiteren noch dadurch zum Ausdruck bringen, dass man mittlerweile jedes Mal die Medien aufmerksam verfolge, wenn etwa von der Straftat eines Ausländers berichtet wird und man Angst habe, dass der Name…(hier ist der eigene türkische Familienname einzusetzen) fallen könnte. So war es im übrigen bei mir zuletzt wirklich und ich habe das auch so in meinem Antrag seinerzeit formuliert. Zuvor habe ich noch einige Negativ-Schlagzeilen mit dem Namen „Aydin“ aufgeführt, die ich der Presse entnommen hatte. Hier muss man natürlich aufpassen, dass der Schuss nicht nach hinten losgeht und ein übertrieben „politsch-korrekter“ Sachbearbeiter einem selbst als Antragsteller gleich Rassismus vorwirft. Trotzdem, wenn man das so empfindet und glaubwürdig darstellt, kann man meines Erachtens auch diesen Aspekt anführen.
Schließlich, wenn gar nichts mehr geht und die Behörde sich einfach nicht überzeugen lässt, kann man noch zu einer Art „ultima ratio“ greifen: Man lässt sich ein psychologisches Gutachten ausstellen, das verdeutlicht, dass man derart unter dem türkischen Namen leidet, dass dies schon zu bestimmten Krankheitssymptomen geführt hat (etwa einer Depression) und dass bei Beibehaltung des Namens eine Verschlimmerung droht. So etwas in der Art. Ein gewisses verstärktes Leid muss man denke ich schon verspüren, da man sich beim Psychologen sonst doch zu sehr verstellen müsste. Auch ist verständlich, wenn jemand meint, sich diese Blöße nicht geben zu müssen und als pathologisch eingestuft zu werden. Nach dem Vorhergesagten dürfte aber dieser extreme Weg nicht notwendig sein, da die genannten formalen und tatsächlichen Gegebenheiten eine Namensänderung regelmäßig rechtfertigen müssten.
Eine weitere Norm, die man anführen könnte, wäre eine analoge Anwendung der Nr. 44 NamÄndVwV. Darin wird einem deutschen Volkszugehörigen, dessen Familienname im Ausland in eine fremdsprachige Namensform geändert wurde, die Möglichkeit gegeben, den ursprünglichen Familiennamen wiederherzustellen.
Wie beweise ich den traditionellen Familiennamen?
Hier sollte zunächst klargestellt werden, dass der türkische Name nur formal in den persönlichen Dokumenten geführt werde, dass man aber tatsächlich im alltäglichen Umgang mit seinen Landsleuten mit seinem ursprünglichen aramäischen/assyrischen Namen gerufen werde und dass dies schon bei den vorangegangenen Generationen bis zum heutigen Tage so gehandhabt werde.
Als Beweis benennt man einen oder besser mehrere Zeugen, die das bestätigen können. Eine eidesstattliche Versicherung ist dabei noch verbindlicher als eine formlose Erklärung. Man kann jemanden aus dem Bekanntenkreis nehmen. Es dürfte dabei von Vorteil sein, wenn diese Person ein Amt in der Gemeinde inne hat, also etwa der Pfarrer oder der Kirchenrats- oder Vereinsvorsitzende (in einem offiziellen Schreiben mit Briefkopf usw.). Ebenfalls vorteilhaft wäre, wenn diese Person nicht nur den Antragsteller, sondern schon die Eltern und Großeltern kennt oder kannte und die kontinuierliche Führung des aramäischen/assyrischen Namens im mündlichen Umgang über Generationen bestätigen kann.
Namensänderung nur im Rahmen einer Einbürgerung bzw. nur mit deutsch klingenden Namen möglich?
Hin und wieder höre ich, dass man entweder „nur“ im Rahmen der Einbürgerung bzw. „nur“ einen deutsch klingenden Familiennamen annehmen könne. Beides ist falsch. Dahinter steht die Regelung Nr. 37 Abs. 2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen (NamÄndVwV). Die NamÄndVwV beinhaltet Fallgruppen für eine Namensänderung. Diese sind aber nicht abschließend.
Die Regelung Nr. 37 Abs. 2 NamÄndVwV steht einer Namensänderung wie oben geschildert nicht entgegen. Es handelt sich lediglich um eine zusätzliche explizit aufgeführte Konstellation, in der eine Familiennamensänderung möglich ist. Als Aramäer/Assyrer kann man davon Gebrauch machen, wenn es einem lieber ist, einen Deutsch klingenden Familiennamen anzunehmen als den ursprünglichen seiner aramäischen/assyrischen Familie. Gelegentlich schließt das eine das andere nicht aus, wie etwa im Fall von Gabriel.
Soweit man also nicht einen im deutschen Sprachraum üblichen oder bekannten Familiennamen annehmen möchte, sollte man sich und braucht man sich auch nicht auf eine Diskussion einzulassen, ob vor allem Nr. 37 Abs. 2 (oder Nr. 37 Abs. 1 i. V. m. Nr. 36 oder Nr. 37 Abs. 3) NamÄndVwV einschlägig sind. Auf diese Rechtsnormen kommt es nämlich bei einer „normalen“ , also grundsätzlichen Namensänderung eines Aramäers/Assyrers nach § 3 NÄG, wie sie oben geschildert wurde, gar nicht an. Es kann nämlich vorkommen und es ist schon vorgekommen, dass die Behörde, wohl auch aufgrund des vom Antragsteller vorgetragenen Sachverhalts oder schlicht aufgrund eigener Unkenntnis den Antrag ausschließlich im Kontext der Rechtsnorm des 37 Abs. 2 NamÄndVwV beurteilt und entscheidet. So ist mir ein Fall bekannt, in dem ein Aramäer/Assyrer nach der Einbürgerung seinen traditionellen Familiennamen „Hanne“ beantragt hatte, der Standesbeamte diesen Namen nicht anerkannt hat und man sich auf den Deutsch klingenden Namen „Hannemann“ als Kompromiss geeinigt hat. Dies war aber in keinster Weise notwendig und ist dem Unwissen des Standesbeamten zuzuschreiben. Nun versucht besagte Person, im Nachgang doch noch den Namen „Hahnen“ zu erlangen. Das Verfahren läuft.
Mit welchen Kosten muss ich rechnen?
Die Gebühren für die Änderung des Familiennamens betragen zwischen 2,56 € und 1022,58 €. Die Höhe hängt ab von dem Verwaltungsaufwand und den wirtschaftlichen Verhältnissen, also dem Einkommen des Antragstellers. Man kann nach meiner Einschätzung regelmäßig mit einem niedrigen bis mittleren 3-stelligen Betrag rechnen. Ich finde, dass sollte einem die Sache doch wert sein. Alle über 14-Jährigen müssen noch ein aktuelles Führungszeugnis einholen und dem Antrag beifügen.
Soll ich einen Rechtsanwalt mit der Angelegenheit beauftragen?
Hier kursieren teilweise falsche Vorstellungen: Man braucht für die Namensänderung grundsätzlich keinen Anwalt, gegenüber der Behörde nicht und noch nicht einmal vor dem Verwaltungsgericht, erst vor dem Oberverwaltungsgericht ist eine anwaltliche Vertretung zwingend vorgeschrieben.
Spätestens vor dem Verwaltungsgericht ist aber eine anwaltliche Vertretung sinnvoll, zumal dann auch prozessuale Themen eine Rolle spielen können. Zu empfehlen ist ein Fachanwalt für Verwaltungsrecht, weil er einfach mehr Erfahrung mit den Behörden und der Praxis des zuständigen Verwaltungsgerichts hat.
Das Kostenrisiko kann man minimieren, wenn man eine Rechtsschutzversicherung hat, die auch die Prozessvertretung vor dem Verwaltungsgericht deckt.
In welchen Fällen ist Beibehaltung des türkischen Familiennamens sinnvoll?
Zunächst einmal ist für mich nicht nachvollziehbar, wenn ein Aramäer/Assyrer meint, seinen türkischen Familiennamen beizubehalten und auf eine Namensänderung zu verzichten. Ich verweise insoweit auf die Ausführungen oben.
Die Gründe für diese passive Haltung sind vielfältig: mangelnde Auseinandersetzung mit dem lebensgeschichtlichen Hintergrund als Aramäer/Assyrer; faktische Identifikation mit dem türkischen Familiennamen, weil man sein ganzes Leben lang schon so hieß und eine Umstellung als Bruch empfindet. Auch spielt ganz einfach Bequemlichkeit eine Rolle. Desweiteren muss wohl auch differenziert werden zwischen jemandem, der z. B. Kücükkaplan, Büyükdag oder Türkan u. ä. heißt auf der einen Seite und einem Harman, Kurt oder Tanriver auf der anderen. Der Leidensdruck und die Bereitschaft der ersten Gruppe, einen solchen Namen abzulegen, dürfte ungleich größer sein als bei den letztgenannten oder ähnlich unauffälligen türkischen Familiennamen.
In letzter Zeit kann ich bei denen, die mit dem Gedanken einer Namensänderung spielen, auch eine gewisse Resignation feststellen, da sie aufgrund der negativen behördlichen und gerichtlichen Entscheidungen davon ausgehen, eine Namensänderung sei nicht mehr möglich und würde damit nur unnötig Zeit und Geld kosten.
Allerdings gibt es Fälle, in denen die Beibehaltung des türkischen Familiennamens vertretbar und sinnvoll ist. Wenn z. B. jemand unter dem türkischen Namen schon vielfältige wissenschaftliche Veröffentlichungen gemacht hat, seine wissenschaftliche Karriere also auf dem türkischen Namen beruht, dann ist es durchaus nachvollziehbar, wenn er diesen türkischen Namen beibehalten will. Andererseits würde gerade eine solche Person mit einer Aufgabe des türkischen und der Annahme des traditionellen Familiennamens sowohl ein Zeichen zu seiner Umgebung nach außen setzen als auch nach Innen gegenüber den Aramäern/Assyrern eine gewisse Vorbildfunktion einnehmen.
Auch ist aus sonstigen beruflichen Gründen die Beibehaltung des türkischen Familiennamens vertretbar, wenn z. B. ein Rechtsanwalt sich schon einen Ruf und Kundenstamm mit seinem türkischen Familiennamen erworben hat, vor allem, wenn seine Mandantschaft zu einem relevanten Teil türkisch-kurdischer Herkunft ist, er also wirtschaftlich von diesem türkische Familiennamen teilweise abhängig ist.
Verlust von Rechten in der Türkei?
Dann gibt es noch, gerade bei der älteren Generation, eine gewisse Zurückhaltung, den türkischen Namen abzulegen, weil man z. B. befürchtet, das Eigentum an landwirtschaftlich nutzbaren Flächen im Heimatdorf zu verlieren. Grundsätzlich ist diese Furcht aber unbegründet, da man mit einer ins Türkische übersetzten Namensänderungsurkunde seine Identität nachweisen kann. Ich habe insoweit mit dem im Tur Abdin ansässigen Rechtsanwalt Rudi Sümer telefoniert und er bestätigte, dass auch aus seiner Sicht kein Eigentumsverlust zu erwarten ist, wenn die entsprechenden Dokumente der Namensänderung vorgelegt werden können. Trotzdem: Einen Rest an Unsicherheit kann man meines Erachtens letztlich nicht ausschließen, denn es würde im Einzelfall nicht überraschen, wenn die zuständigen Behörden aufgrund der leider oftmals gerade bei offiziellen Stellen zu beobachtenden nationalistischen Einstellung nicht verstehen können, dass ein ehemals türkischer Staatsbürger aus eigenem Antrieb seinen türkischen Familiennamen abgegeben hat und diese Behörden diesem deshalb bürokratische Hürden in den Weg stellen oder gar zu enteignen versuchen. Hier können auch Missgunst und generelle Vorbehalte gegenüber Christen eine Rolle spielen, vgl. den Fall Mor Gabriel, dann aber kann auch ein türkischer Familienname nicht helfen.
Soll ich auch einen traditionellen Namenszusatz wie beth, be, bar usw. in meinen Familiennamen aufnehmen? Ein sehr schwieriges Thema sind aramäische/assyrische Namenszusätze, also beth/Beth, bar/Bar, be/Be, d-Be (so Otto Jastrow im Lehrbuch der Turoyo-Sprache), usw.
Zunächst muss jeder erst einmal entscheiden, ob er überhaupt einen solchen Namenszusatz seinem Familiennamen voranstellen möchte.
Hierüber kann man meines Erachtens trefflich streiten. Im folgenden stelle ich meine Einschätzung und Erfahrung als sprachwissenschaftlicher Laie dar. Es wäre schön, wenn dieses Thema mal von Philologen bzw. Linguisten, am besten im Verbund mit Theologen und Historikern, wissenschaftlich behandelt und geklärt werden würde.
Aus meiner Sicht sprechen folgende Argumente für einen Namenszusatz:
a) formal Im Turoyo-Dialekt, den wir Aramäer/Assyrer aus der Türkei sprechen, ist stets ein be bzw. d’be zwischen dem Vornamen und dem Familien-/Sippennamen absolut gebräuchlich. Wenn man den bisher nur mündlich gebräuchlichen Turoyo-Dialekt verschriftlicht, ist es nur konsequent, das entsprechende Namenskürzel zwischen Vornamen und Familiennamen beizubehalten.
b) Identität nach Innen und nach Außen Ein oben genanntes Namenskürzel würde bedeuten, dass man sich zu seiner aramäischen/assyrischen Identität bekennt. Wem das nicht wichtig ist oder wer daran gerade nicht erinnert werden will, lässt den Namenszusatz weg. Ohne jetzt pathetisch zu klingen, finde ich aber, dass gerade die Aramäer/Assyrer keinen Grund haben, sich wegen ihrer Abstammung zu schämen und sich davon zu distanzieren.
Vor allem aber hätte ein Namenszusatz enorme identitätsstiftende Wirkung nach außen. Die Aramäer/Assyrer leben weltweit verstreut in der Diaspora. Wenn alle einen einheitlichen Namenszusatz (oder einige wenige, sie kennzeichnende Namenszusätze, s. o.) haben, wird jeder den anderen schon durch den Namen als Landsmann identifizieren können, egal, ob dieser nun in den USA, in Australien oder in Europa lebt. Es ist schließlich auch so, dass jedenfalls im Zweifel ein van… ein Holländer/Belgier, ein de… Franzose, ein di… Italiener ist.
Was könnte gegen einen Namenszusatz sprechen?
Gegen einen Namenszusatz könnte sprechen, dass es eine integrationshemmende Wirkung haben könnte. Dieses Argument ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Man wird sich in Deutschland mit einem Familiennamen ohne Namenszusatz besser und einfacher in die Gesellschaft integrieren können, als wenn dazwischen noch ein für die hiesige Bevölkerung unbekannter Namenszusatz steht, den man zudem noch möglicherweise dem arabischen Sprachraum zuordnen wird.
Hier muss ein jeder für sich entscheiden, was ihm wichtiger ist. Es sollte jedoch auch folgendes bedacht werden: Je mehr Aramäer/Assyrer den Namenszusatz wählen, desto schneller wird er sich in vielleicht schon naher Zukunft etablieren. Damit aber wären Fremdheit und mögliche Missverständnisse ausgeräumt.
Welchen Namenszusatz? Gerade das ist ebenfalls schwierig zu entscheiden: Man kann bei dieser Frage eine Tendenz dahingehend feststellen, dass viele Aramäer/Assyrer wie selbstverständlich ein „beth“ oder „bar“ als richtigen („echten“) Namenszusatz anziehen.
Ich persönlich bin ein Fan des „Turoyo“. Seit vielen Jahrhunderten sprechen unsere Vorfahren aus dem Tur Abdin den Turoyo-Dialekt des Aramäischen. Es ist nicht, wie viele glauben, eine niedere Form des „Kthobonoyo“, sondern eine eigenständige Sprache. Wir haben diese Sprache die letzten Jahrhunderte gesprochen, dann ist es auch folgerichtig, dass wir bei der Namensgebung nicht plötzlich einen Zeitsprung viele Jahrhunderte und mehr zurück machen, in die Zeit unserer Kirchenväter, als „beth“ und „bar“ verbreitet waren. Aber auch das muss jeder für sich entscheiden, richtig falsch ist keiner der Namenszusätze, da sie alle gebräuchlich waren oder sind. Es kommt darauf an, an welchen aramäischen Dialekt man anknüpfen möchte.
Nichtsdestotrotz wäre es sinnvoll, wenn sich die Aramäer/Assyrer auf einen Namenszusatz einigen könnten. Hier wäre, wie dargelegt, eine wissenschaftliche Erörterung förderlich.
Ich habe mich seinerzeit für das im Turoyo gebräuchliche „Be“ entschieden, mit einem großen „B“, weil mir das optisch besser gefiel als ein kleines „b“ und diese Schreibweise auch keine Adelsabstammung implizierte. Spätestens aber nach einem Telefonat mit Prof. Otto Jastrow, der auf die Herkunft des „Be“ von „bet(h)“, „bayto“, also Haus, also Substantiv verwies und deswegen Großschreibung empfahl. Heute denke ich, dass die besseren Argumente für ein „be“ sprechen. Denn so, wie wir das „be“ benutzen, meine wir „aus dem Haus stammend“, was eher eine adjektivische Bezeichnung ist als ein Substantiv. Selbst wenn man von einem ursprünglichen Substantiv ausgehen sollte, so wäre eine Großschreibung letztlich eine Anpassung an die deutsche Grammatik, was aber nicht geboten ist, denn die Schreibweise hat sich nach dem Turoyo-Aramäischen zu richten und dort existiert keine Groß- und Kleinschreibung.
Höhere Anforderungen bei Namensänderung mit Namenszusatz
Eine Familiennamensänderung mit einem Namenszusatz bei den zuständigen Behörden durchzubekommen, ist ungleich schwerer als „nur“ den aramäischen/assyrischen Familiennamen.
Ich musste für das „Be Djallo“, nachdem sich das Standesamt und dann das Rechtsamt als Widerspruchsbehörde quergestellt hatten, vor das Verwaltungsgericht ziehen, also lange kämpfen und bin zum Glück auf eine verständige Richterin gestoßen. Wobei ich eine gewisse Mitschuld an der ablehnenden Haltung der Behörde trug, da ich zunächst nur „Djallo“ beantragt hatte und damit glatt durchkam. Genau in der Zeit des Verfahrens habe ich mich eingehender mit dem Thema aramäische/assyrische Familiennamen und insbesondere die Rolle der Namenszusätze beschäftigt und habe den Antrag anschließend in „Be Djallo“ umgeändert. Das kam bei der Behörde verständlicherweise nicht so gut an. Es war aber trotzdem kein Grund für eine anschließende sehr ignorante Haltung mit teilweise abwegiger Argumentation seitens der Behörde.
Sollte sich jemand für eine Namensänderung mit einem traditionellen Namenszusatz entscheiden – was ich persönlich sehr befürworten würde -, muss er nach Lage der Dinge mit einigem Widerstand der Behörde rechnen. Aufgrund eigener Erfahrung ist mit folgenden Einwändern zu rechnen: Soweit die Behörde den Namenszusatz (be, bar, beth usw.) ablehnt, weil das deutsche Namensrecht einen solchen Namenszusatz nicht kenne, ist dies ein aus meiner Sicht abwegiges Argument. Es gibt in Deutschland kein Gesetz gibt, dass nur im deutschen Namensrecht „bekannte“ Namenszusätze erlaubt.
Der Haupteinwand der Behörde (so war es bei mir) aber wird wohl mit Hinweis auf Nr. 53 Abs. 1 Satz 2 NamÄndVwV sein, dass der neue Familienname nicht den „Keim neuer Schwierigkeiten“ tragen solle.
Und hier ist mir das Gericht zum Glück entgegengekommen und hat in meinem Fall die Anwendbarkeit der 51ff. NamÄndVwV verneint bzw. diese zurücktreten lassen. Zitat: „Nach Nr. 51 NamÄndVwV gelten die Nummern 52 bis 55 für die Wahl des neuen Namens jedoch nur insoweit, als der neue Familienname nicht bereits mit dem wichtigen Grund für die Namensänderung vorgegeben ist. So liegt der Fall hier, da der wichtige Grund auch in der Wiederherstellung des ursprünglichen aramäischen/assyrischen Namens besteht. Ist der neue Familienname damit vorgegeben, haben mögliche künftige Schwierigkeiten im Sinne des 53 NamÄndVwV demgegenüber zurückzutreten.“ Ich hatte schon im behördlichen Vorverfahren darauf verwiesen, dass es hier nicht um eine typische Namensänderung gehe, sondern eher um eine Wiederherstellung des früheren Familiennamens. Nun gut, jetzt haben wir ein Urteil, auf das sich auch andere Aramäer/Assyrer beziehen können (VG Berlin, Aktenzeichen: 3 A 251/08, ebenfalls in der Anlage).
Anschlusserklärung nach § 1617 c Abs. 2, Satz 1 BGB
Es wird oft Fälle von aramäischen/assyrischen Großfamilien geben, in denen Familienmitglieder aus zwei oder mehreren Generationen die Namenänderung durchführen wollen. Hier können die einzelnen Familienmitglieder die Änderungsanträge gesammelt abgeben und jeder Antrag würde separat bearbeitet und beschieden werden. Wenn die Großfamilie an einem Ort zusammenlebt oder jedenfalls, wenn dasselbe Standesamt für alle Mitglieder zuständig ist, wird es so sein, dass die Gebühren eine wie auch immer geartete angemessene Reduzierung erfahren, da die Begründung der Anträge die gleiche ist und die Behörde nur einmal entscheiden muss, ob ein „wichtiger Grund“ vorliegt. Nichtsdestotrotz werden die Kosten für einen jeweiligen Antrag im dreistelligen Bereich liegen. Rechnet man das ganze auf eine größere Familie über drei Generationen, kann das insgesamt schnell einen ordentlichen vierstelligen Betrag ergeben.
Und hier gibt es eine elegante Möglichkeit, diese Kosten zu reduzieren, und zwar die Anschlusserklärung nach § 1617 c BGB. Der Antragsteller kann sich dabei auf die Entscheidung des Kammergericht Berlin vom 22. Mai 2001 – 1 W 8744/00 (Anlage) berufen. Der Leitsatz lautet: „Die Vorschrift des § 1617 c Abs. 2 Satz 1 BGB gilt auch für volljährige Kinder und betrifft, da die Spezialvorschrift des § 4 NamÄndG insoweit keine Regelung trifft, grundsätzlich auch den Fall, dass sich der Geburtsname des Kindes gewordene Ehename seiner Eltern durch Verwaltungsakt nach dem Namensänderungsgesetz ändert.“ Das heißt konkret: Die Eltern ändern ihren Familiennamen gem. § 3 NÄG. Anschließend beantragen mehrere volljährige Kinder (mit oder ohne eigene Familie) beim Standesamt durch Anschlusserklärung gem. § 1617 c Abs. 2 Satz 1 BGB, ebenfalls den neuen Familiennamen zu führen. Bei drei Generationen beantragen die Großeltern die Namensänderung, dann schließen sich deren Kinder (Elterngeneration) an und schließlich deren Kinder (Enkelgeneration).
Ein solches Vorgehen hat den Vorteil, dass die Kosten enorm verringert werden. Es muss nur einmalig die „normale“ Gebühr für die öffentlich-rechtliche Namensänderung des Vaters oder Großvaters bezahlt werden. Die folgenden Anschlusserklärungen kosten dann lediglich einen niedrigen festen Gebührensatz, in Berlin sind das 17 €.
Da der Standesbeamte selten bis gar nicht Anschlusserklärungen nach § 1617 C BGB nach einer öffentlich-rechtlichen Namensänderung nach § 3 NÄG zu prüfen hat, ist es durchaus möglich, dass er diesem Ansinnen gegenüber skeptisch ist und möglicherweise die Rechtsprechung hierzu nicht kennt. Hier dürfte es sich als hilfreich erweisen, wenn man der Anschlusserklärung die Entscheidung des Kammergerichts als Anlage beifügt.
Lehnt das Standesamt den Antrag auf Erteilung einer Bescheinigung über die geänderte Namensführung trotzdem ab, muss man beim zuständigen Amtsgericht einen Anweisungsantrag gem. § 49 Personenstandsgesetz (PStG) stellen. Ich schätze die Chancen als gut ein, sich spätestens dort der Namensänderung seiner Eltern anschließen zu können.
Nach alledem kann ich nur jeden ermutigen, nunmehr eine Namensänderung in Angriff zu nehmen. Ich hoffe, dass die obigen Ausführungen sowie der beigefügte Musterantrag mitsamt den Anlagen hierzu eine Hilfe sein werden.
Grundsätzliche Lösung
Aus meiner Sicht wäre es sinnvoll, wenn die Aramäer/Assyrer die Problematik der Änderung des Familiennamens grundsätzlich zu lösen versuchten. Dies könnte dadurch geschehen, dass sich offizielle Vertretungen und Vereinigungen, wie etwa die Föderation der Aramäer in Deutschland (FASD) oder Zentralverband der assyrischen Vereinigungen in Deutschland (ZAVD) u. a. oder Organisationen wie die Fundatio Nisibinensis an die zuständigen offiziellen Stellen in den Ministerien wenden und in einem persönlichen Gespräch die Problematik der Änderung aramäischer/assyrischer Familiennamen erläutern, mit dem Ziel, dass die Änderung eines türkischen in einen traditionellen aramäischen/assyrischen Familiennamen als eine Art eigene Fallgruppe anerkannt wird. Das wird und braucht auch nicht gesetzlich bzw. als Verordnung schriftlich fixiert werden; es reicht vollkommen aus, wenn eine behördliche Verwaltungspraxis etabliert wird, die im Falle eines Namensänderungsantrags eines Aramäers/Assyrers den wichtigen Grund gem. § 3 NÄG bejaht und einen solchen Antrag generell positiv bescheidet.
Zu denken wäre auch an eine Petition an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages, in der man dieses Begehren äußert. Hierbei wäre es hilfreich, wenn Aramäer/Assyrer, welche politisch aktiv sind oder sogar bestimmte politische Ämter besetzen, durch ihre vorhandenen Beziehungen das Vorgehen unterstützen.
Benjamin Be Djallo
Anlagen:
Musterantrag für die Begründung der Änderung des Familiennamens
Muster für eine Eidesstattliche Versicherung bzw. sonstigen Bestätigung
Beschluss des Kammergerichts Berlin vom 22.05.2001 – 1 W 8744/00 –
Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 26.08.2009 – 3 A 251/08 –
bethnahrin.de bedankt sich bei Herrn Benjamin Be Djallo zur Verfügungstellung dieses Artikels.
Bei diesem Artikel handelt es sich um einen externen Artikel und wurde daher unverändert publiziert.
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