B.de: Kannst du dich bitte kurz den Lesern vorstellen, bevor wir mit dem Interview beginnen?
H.R.: Ich heiße Hansi Ruile und bin Geschäftsführer im Kulturhaus Kresslesmühle, das seit 30 Jahren besteht. Unser Kulturzentrum versucht Sozialarbeit und Kultur miteinander zu verbinden, was wir auch in den letzten Jahren intensiv dadurch gemacht haben, dass wir uns auf Migration- und Interkulturellemöglichkeiten ausgerichtet haben.
Dabei stellt auch die Zusammenarbeit mit dem Mesopotamien Verein, seit mehr als 25 Jahren, ein relativ zentraler Bestandteil unserer Arbeit dar.
Außerdem lässt sich in unserem Hause noch zusätzlich Kabarett-Festivals und viele andere Kulturveranstaltungen finden.
B.de: Kannst du uns kurz erzählen, wie du die ersten Assyrer in Augsburg kennen gelernt hast?
H.R.: Die ersten Begegnungen mit den Assyrern waren hier im Kulturhaus Kresslesmühle. Vor 30 Jahren, als wir das Kulturzentrum eröffneten, haben wir Hausgabenhilfen für Kinder von Arbeitsmigranten angeboten.
Zu diesem Anlass lernten wir Kinder und Eltern assyrischer/aramäischer Herkunft kennen, woraus sich dann auch ein Kontakt zu den Vertretern dieser Gruppe herstellte. Dadurch haben wir immer mehr über diese ethnisch, religiöse Gruppe aus dem ehemaligen fruchtbaren Halbmond erfahren.
B.de: Wie kam man darauf, mit dem Mesopotamien Verein eine Interkulturelle Akademie zu gründen?
H.R.: Das liegt, meiner Meinung nach, ganz im wesentlichen an der vertrauensvollen Zusammenarbeit, die wir in den letzten Jahren miteinander entwickelt haben. Wenn es um neue Aufgaben ging, haben wir immer das gerne mit dem
Mesopotamien Verein machen wollen. Als damals im Raum stand, irgendwas mit Interkultureller Kulturarbeit bzw. Theaterarbeit zu machen, war es klar, sich sofort mit dem Mesopotamien Verein in Verbindung zu setzen. Da bestand einfach das größte Vertrauen zueinander.
Nach der Einstellung von La Piazza mussten wir uns alle neu orientieren. Fest stand, dass wir was im interkulturellen Bereich machen wollten.
Nach einer Reihe von Gesprächen, auch mit den Vertretern vom Mesopotamien Verein wie Gebro Seven und Gebro Aydin, kamen wir auf die Idee, eine Interkulturelle Akademie zu gründen.
Allerdings werden wir manchmal diesbezüglich kritisiert, warum wir das schon wieder mit dem Mesopotamien Verein machen, da dieser schon voll integriert ist.
Für uns jedoch ist es selbstverständlich und logisch, bei solche Sachen mit dem Mesopotamien Verein zu arbeiten, da eine Interkulturelle Akademie eine komplizierte Sache darstellt und man dies nur mit viel Vertrauen zueinander machen kann.
Das Kulturhaus Kresslesmühle und der Mesopotamien Verein werden weiterhin Träger der Interkulturellen Akademie sein, die sich nicht scheut mit anderen Migratenorganisationen zu arbeiten. An dieser Stelle zeigt sich die Qualität des Mesopotamien Vereins, dass er keine egoistische Migrantenorganisation ist, sondern auch für die Allgemeinheit sehr viel leistet. Ich denke nicht, dass es andersrum so wäre. Es macht mir auch nichts aus, dass es nicht jeder so in der Stadt sieht. Ich finde es aber wichtig, dass wir so begonnen haben und auch so weitermachen.
B.de: Auf beiden Webseiten kann man ja sehr viel über die Interkulturelle Akademie lesen. Kannst du uns noch mal kurz die Ziele der IKA erläutern?
H.R.: Die IKA ist eine Kooperation bzw. Netzwerk zur interkulturellen Kultur-/ Bildungsarbeit zwischen diesen beiden Vereinen. Auch da ist der Mesopotamien Verein für uns wichtig, weil gerade das Verständnis was mit Migrationprozessen passiert ist, in dem Verein noch mal gut ist. Zu dieser Ansicht kommt man, da mit der Anwesenheit von Assyrern aus dem Nahen Osten, eine sehr lange historische Erfahrung vorhanden ist. Das ist besonders geeignet um das schwierige, aber auch in sich gewachsene Verhältnis von Orient und Okzident zu behandeln, was sehr spannend ist.
Aus meiner privaten Sicht muss ich auch gestehen, dass man so sehr viel über die eigene Zivilisationsgeschichte lernen kann. Ich muss euch glaube ich nicht erzählen, dass die Entstehung von Gesellschaft, Schrift, Literatur und Mathematik im mesopotamischen Raum war.
Somit wird die Zivilisationsgeschichte sehr stark durch den alten Orient bestimmt, der in der moderne von den Assyrern aus Augsburg beispielsweise vertreten wird.
Was wir also mit der Interkulturellen Akademie tun können ist, die Vertreter sowohl der Minderheiten als auch der Mehrheiten mit den Fragen, die mit Migration zusammenhängen, vertraut zu machen.
Wie wir ja wissen, hat sich die deutsche Gesellschaft erheblich verändert. Meiner Meinung nach kann es nicht sein, dass man von den Zugewanderten immer die Anpassung verlangt. Es geht im wesentlichen darum, dass wir miteinander bzw. voneinander lernen, weil wir nur so die Komplexität einer interkulturellen Gesellschaft, in der wir auch Gott sei dank leben, besser verstehen und umsetzen können.
Wichtig ist auch, dass wir erkennen, dass diese neue Wirklichkeit mit Migration, Zuwanderung und Interkulturelle Gesellschaft nicht nur eine Gefahr bzw. Bedrohung ist, sondern der Weg den man für die Zukunft gehen muss.
Wesentliche Punkte der Interkulturellen Akademie ist natürlich das„Orient und Okzident“. Außerdem haben wir uns sehr stark immer mit Bildungsarbeit beschäftigt, da erfahrungsgemäß Menschen mit Migrationshintergrund aus dem Bildungssystem rausfallen.
Wofür ich dem Mesopotamien Verein allerdings sehr dankbar bin ist, dass man das schwierige Verhältnis zwischen Christen und Muslime behandeln und somit zum interreligiösen bzw. interkulturellen Dialog beitragen kann.
B.de: Die Leser sind sehr gespannt, was die IKA für die Zukunft plant. Kannst du uns dazu nähere Einblicke geben?
H. R.: In den letzten Tagen hatte ich viele Gespräche mit euren Vertretern. Es ist wird ein 3. Teil des Projektes „Orient und Okzident“ sein. Dabei werden wir uns vertieft damit beschäftigen, wie der Orient im Okzident ist und umgekehrt.
Man tut ja so, als würde beide in einem verfeindeten Verhältnis leben, allerdings stimmt das nicht.
Die Mesopotamier sind die Brücke zwischen beiden Teilen und verbinden sie mit einer sehr langen Kulturgeschichte.
In dieser neuen Reihe geht es halt wirklich darum, sowohl die negativen als auch positiven Beziehungen/Verflechtungen in einer Reihe von Vorträgen zu behandeln.
Sie hat also den Zweck, dass sowohl die Menschen die aus dem Orient kommen als auch die Menschen, die immer hier zu Hause waren lernen, wie sich die Geschichte zwischen Orient und Okzident entwickelt hat. Es hat keinen Sinn das eine gegen das andere aufzuhetzen. Es ist ganz komisch, dass man oft vom christlichen Abendland redet aber niemand sagt, dass Christus aus dem Orient stammt.
Es gibt in dieser 7000 – 8000 jährige Geschichte vielfältige Verflechtungen, die bis zur Gegenwart reichen und diese auch bedrohen. Es gibt viele Bedrohungsszenarien zwischen Orient und Okzident und wenn man nicht will, dass es zu einem Krieg kommt, hilft nur der Dialog.
Ich denke womit wir auch nun Fortfahren müssen, ist die Reihe vom letzten Halbjahr „Zusammenleben aktiv gestalten“. Dabei versuchen wir mit anderen Migrantenorganisationen und der Volkshochschule Projekte in Gang zu setzen, wie beispielsweise Migrantenorganisationen zum Integrationsprozess beitragen. Genauere Projekte können z. B. Erziehungspartnerschaften oder wie man die Medien und Migrantenorganisationen näher zueinander bringen kann, sein.
Insgesamt haben wir ja eine Menge von Projekten gemacht.
Im übrigen erstellen wir gerade eine Broschüre über die IKA allgemein, also was sie bisher gemacht hat, was sie ist.
Wir können auch gemeinsam stolz zurückblicken da wir den Kulturpreis der kulturpolitischen Gesellschaft verliehen bekommen haben. Dieser ist eine nationale Auszeichnung mit einem sehr hohen Stellenwert.
B.de.: Darauf wollten wir gerade zu sprechen kommen. Im Februar bekam das Kulturhaus Kresslesmühle den Kulturpreis 2006 verliehen. Kannst du uns noch mal kurz die Gründe näher erläutern und welcher Stellenwert bzw. Bedeutung diese Auszeichnung für die Interkulturelle Akademie hat.
H. R.: Der Grund ist unser langjähriges Engagement insbesondere unser interkulturelles Engagement. Hervorgehoben wurde die Interkulturelle Akademie, die ja in Zusammenarbeit mit dem Mesopotamien Verein gemacht wird. Dies ist auch deutlich in der Preisbegründung ganz wörtlich so genannt worden.
Es ist einerseits eine Anerkennung für unsere schon 30-jährige Arbeit, aber bezugnehmend auf die Interkulturelle Akademie.
Der Kulturpreis für die kulturpolitische Gesellschaft ist eine bundesweite Auszeichnung, die jährlich verliehen wird.
Das letzte mal war sie vor 25 Jahren in Bayern. Es ist also für Augsburg, für die Kresslesmühle als auch für den Mesopotamien Verein eine sehr große Auszeichnung.
Wenn ich mich mit Personen zusammensetze, beispielweise für die Planung einer Vortragsreihe, ist diese Auszeichnung schon ein sachdienliches Argument, womit man auch seriöser auftritt.
Sie ist aber auch insgesamt für die interkulturelle Kultur- und Bildungsarbeit in Deutschland von Bedeutung und somit ist ja auch der Stellenwert dieser Arbeit gestiegen ist.
Wichtig ist allerdings auch, dass man gezeigt hat, dass solche Projekte nur in Kooperation gemacht werden können. Es war ja früher so, dass deutsche Strukturen Projekte für Migranten gemacht haben. Entscheidend an dieser Struktur ist aber, dass wir zusammen mit dem Mesopotamien Verein diesen Schritt gewagt haben. Es ist ja nicht leicht und ein steiniger Weg aber auch ein Stück Zukunftspotential.
B.de: Hansi, wir bedanken uns bei dir, dass du dir die Zeit genommen hast mit uns heute das Interview zu führen und wünschen dir alles Gute für die Zukunft.
H. R.: Auch ich bedanke mich bei euch.
Nuhro Ego und Nimar Bulun
Bethnahrin.de
Quelle der Bilder: kressmühle.de und bethnahrin.de
© Bethnahrin.de
Alle Rechte vorbehalten
Vervielfältigung nur mit unserer ausdrücklichen Genehmigung!