Ein Bericht von Abdulmesih BarAbraham
Der diesjährigen Einladung zur Gedenkfeier „Shato d’Seyfo“ am Samstag, den 16. Juni 2007 im Festsaal Wien-Brigittenau folgten etwa 200 Menschen, darunter hochrangige Politiker Österreichs und Vertreter zahlreicher Organisationen. Die Veranstaltung stand diesmal unter dem Zeichen der Vorbereitung einer Petition, welche die ADO einreichen wird, um die formelle Anerkennung durch das österreichische Parlament zu erreichen.
Die Gedenkveranstaltung wurde durch ein Willkommensgruss des Bezirkvorsteher Herrn Karl Lacina eröffnet, der die zahlreichen Ehrengäste namentlich begrüßte. Unter den Ehrengästen befand sich die Vizepräsidentin des Bundesrates der Republik Österreich, Frau Anneli Haselbach. Freundschaftliche Grüße wurden übermittelt vom Landtagspräsidenten von Wien Johann Hatzl und dem kranken 1. Vorsitzenden des Wiener Gemeinderates Godwin Schuster sowie dem Landesparteisekretär, Landstagsabgeordneter und Gemeinderat (SPÖ), Prof. Harry Kopietz.
Unter den Gästen begrüßt wurden u.a. auch Vertreter der verschiedener Organisation, darunter der Syrisch-Orthoxen Kirche, der Griechisch Orthodoxen Kirche, der Union Orientalischer Christen, und der Vertreter der Aleviten in Wien.
Herr Lacina begrüßte Frau Dr. Gebriele Yonan und würdigte ihr Buch „Der Vergessene Holocaust“ als ein zeithistorisches Werk von großer Bedeutung – nicht nur für Assyrer sondern für alle aufrechten Menschen, die sich für die Menschenrechte einsetzten. Im Zusammenhang mit dem 50järigen Bestehen der ADO und ihr Einsatz für ihr Volk sprach er von einem doppelten Grund zusammenzukommen. Er rief dazu auf, den begangenen Weg voranzustreiten und trotz Schwierigkeiten nicht aufzugeben, bis die Anerkennung des Volkermordes an den Assyrern durch internationale Gremien und Staaten vollzogen ist.
Die Moderation des Abends übernahm Frau Josefa Tomsik, Landesparteivorsitzende a.D. Als erste Rednerin sprach Vizepräsidentin des Bundesrates der Republik Österreich, Frau Anneli Haselbach und wies auf die Notwendigkeit der Solidarität mit Menschen, die furchtbares erlitten haben. Sie bezeichnete Genozid als etwas Grauenhaftes; man versuche zu verstehen, wie so was möglich ist; wie gibt es, dass bei Menschen jede Hemmschwelle überschritten wird. Ist es eine Naturgewalt? Leider nicht, bemerkte sie: Darfur, Roter Kmer, Uganda und das 3. Reich sprechen dafür. Eine Holocaust überlebende habe zwei Gründe dafür gegeben, was Menschen treibe, Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu begehen. Zunächst wird ihnen eingeredet, sie tun das richtige für ihre Gruppe bzw. Religions,- oder Volksgemeinschaft; dazu tun sie das richtige, dass in ihr Weltbild passt.
Offenbar tun sie das, was in ihr beschränktes Weltbild passt, ergänzte Frau Haselbach. Oft würden sie nicht den Ausmaß ihrer verbrecherischen Tat erkennen. Und wenn es bekannt wird, dann belügen sie sich selbst und viele von ihnen sprechen von Pflichterfüllung. Koffi Annan habe zum 60. Befreiungstag von Auschwitz gesagt: „Das Böse braucht das Schweigen der Massen“. Und genau dieses Schweigen dürfen wir uns nicht aneignen, sagte Frau Haselbach. Sie appellierte schließlich an Zivilcourage, Menschenrechte und Menschenwürde, die hochgehalten werden müssen.
Anschließend sprach der Vorsitzende der ADO, Sektion Europa, Herr Sabri Alkan. In seiner kurzen Rede, bezeichne er die Gründung der ADO als keineswegs zufällig, vielmehr als Resultat historischer Gründe, Tragödien wie den Genozid von 1915, Massaker in Semile 1933 im Irak; Vertreibung und Verfolgung seien die Hauptmotive gewesen. Im Zusammenhang mit dem Völkermord von 1915, dem sich die ADO seit ihrem Bestehen verpflichtet fühlt und bemüht ist der Weltöffentlichkeit nahe zu bringen, damit dieser anerkannt wird, forderte er die Türkei auf, das begangene Unrecht zuzugeben. Ein Volk, das nicht zu seiner Geschichte stehe und sich nicht zu den begangenen Taten bekennt, wird in Europa und in demokratischen Ländern keine Freunde haben.
Choriepiskopos Dr. Emanuel Aydin sprach als Vertreter der Orientalisch Orthodoxe Christen (Syrisch Orthodoxe, Armenisch Apostolische, Koptisch Orthodoxe) und skizzierte die historisch schwierige Lage der Christen im Nahen Osten und bedankte sich bei Bezirkvorsteher Herrn Karl Lacina dafür, dass die SPÖ uns „einen Raum in ihrem Herzen“ geöffnet haben, um unser Anliegen zu erhören.
Der Landtagsabgeordneter und Gemeinderat Erich Valentin sprach zur solidarischen und politischen Bewertung der historischen Ereignisse. 92 Jahre zuvor startete ein planmäßig durchgeführter Genozid an den Assyrern und Armeinern und am Ende mussten diese Minderheiten rund 3 Millionen Opfer erleiden. Das ganze sei Durchdacht und strategisch vorbereitet gewesen, mit klaren Befehlen an die Armee. Als politische Dimension sei heute festzustellen, dass die heutige türkische Regierung immer noch keine Gesprächsbereitschaft signalisiert. Bisher hätten 24 souveräne Staaten den Völkermord von 1915 in Dokumenten ihrer demokratische gewählten Parlamenten anerkannt; dann „müssen wir uns fragen“ so Herr Valentin, „wenn es so etwas, wie einen europäischen Standard gibt, wie müssen wir mit der Geschichte umgehen?“ Die Schlussfolgerung dieser Versammlung sei, „dass das assyrische Volk wie die Armenier eines fordert, nämlich die Gerechtigkeit und Anerkennung der Geschichte, nichts mehr! Das sei Grundrecht, das insbesondere von einem Staat gefordert wird, dass ante portas der EU steht. In Weiteren sagte er, „wenn die EU nicht nur eine Gemeinschaft von Shareholder ist, sondern eine Wertegemeinschaft, und entsprechend dem Kopenhagener Abkommen Werte und Standards gibt, wie man miteinander umgeht, dann sind das die minimalen Standards, die von der Türkei zu erwarten sind. Nur dann, kann die Türkei gleichwertiger moralischer Partner werden“. Zum Schluss seiner Rede verwies Hr. Valentin auf die am 26. März in der EU abgehaltenen Konferenz über den Völkermord an den Assyrern, das über Parteigrenzen hinaus Unterstützung fand. Er bedauerte, dass Vertreter der Türkei in der EU forderten, dass die Konferenz nicht stattfinden dürfe, da der Titel Genozid aus deren Sicht eine Lüge wäre. Hr. Valentin versicherte, dass die Regierung Österreichs, die Stadt Wien und deren Repräsentanten, insbesondere die SPÖ an der Seite der Assyrer stehen, solange mit ihnen kämpfen werden, bis ihr Recht verwirklicht sei.
Dr. Dimitri Papas bedanke sich in einem Kurzen Statement zunächst bei Aslan Ergen, dem ADO Sektionsleiter in Österreich für die Organisation der Veranstaltung und würdigte die Opfer des Genozids. Mehr als 20000 orientalischer Christen leben in Wien mit ihren 13 Kirchengemeinden. Dr. Papas verwies auch auf die gegenwärtig schwierige Lage der Christen in Orient und insbesondere Irak, wo sie Diskriminierungen, Verfolgungen und Pogromen ausgesetzt sind. Sie seien Opfer, weil sie von Dingen überzeugt sind, die im Westen selbstverständlich sind – Menschenrechte und Glaubensfreiheit.
Mit Hinweis auf Yonan’s Buch drückte Prof. Dr. Erich Fellinger seine Betroffenheit über die Dimension der historischen Ereignisse, und bekundete Freundschaft und Sympathie für die Forderungen der Assyrer, die in breiten Kreisen unbekannt seien, wie er sagte. Er verwies auf einen Beschluss des internationalen Gerichtshofes zum Völkermord im früheren Yoguslavien mit Bezug auf die UN Genozid Konvention von 1948 und meinte, dass das, was in Yonan’s Buch geschildert ist, nicht anderes darstelle!
Zu Beginn ihrer Rede würdigte Frau Dr. Gabriele Yonan das besondere Interesse Österreichs am Genozid der Assyrer und unterstrich die besondere politische Unterstützung für die Anerkennung. Dr. Yonan war bereits im Jahre 2002 Gastrednerin auf dieser Veranstaltung, wo sie ihre These über die Ereignisse des Völkermordes vortrug. Sie sprach davon, dass seit dem Erscheinen ihres Buches selbstverständlich zahlreiche neue Entwicklungen gegeben habe, die dokumentiert sind und diese hoffentlich in einem weiteren Band erscheinen können, zusammen mit neuen Dokumenten aus Archiven, die zuvor unzugänglich waren. Im Weiteren ging sie auf die Entstehung der erwähnten UN Konvention von 1948 und dessen Initiator Rafael Lemkin ein. Dr. Yonan erläuterte, dass das Massaker an den Assyrern von Semile 1933 und dessen Behandlung vom Völkerbund Lemkin als Anlass dienten, seine Genozid Konvention zu formulieren, auch wenn später der Holocaust das ganze überfällig gemacht hat. Dr. Yonan bekräftigte, dass bei den Ereignissen von 1915, die sich unter dem Deckmantel des Krieges stattfanden, nicht um einen Völkermord an den Armeinern handelte, sondern um einen Völkermord, an den Christen des osmanischen Reiches! Die Grundlage dafür bildete der Aufruf zum Jihad, dem heiligen islamischen Krieg. Die Quellen, auf die sich die Armenier insbesondere bei der Darstellung der Ereignisse als armenischen Völkermord berufen, seien dieselben, welche die Leiden der Assyrer darstellen.
Basierend auf ein Interview von Oktober 2006 in der Zeitschrift Profil mit dem türkischen Botschafter in Österreich, zitierte sie den Titel „Massaker, aber nicht Völkermord“. Dieses spiegele die aktuelle Argumentation der Türkei, die sich hoffentlich dem Problem noch weiter nähern wird. Man argumentiere, dass es während des 1. Weltkrieges in der Türkei Bürgerkrieg herrschte und Armenier die Russen unterstützten, obschon dies bereits nicht für all Provinzen zutrifft. Zudem muss man die Frage stellen, warum die assyrischen Dörfer in Hakkari und Tur Abdin entvölkert sind, obwohl die Assyrer als Volk nicht politisiert waren wie Teile der Armenier?
Ziel der Assyrer sei es die Anerkennung des Genozids zu erreichen. Dr. Yonan unterstrich, dass die Befürworterin sei, dass die Türkei der EU angebunden wird, jedoch erst wenn die Zypernfrage und die Frage des Genozids gelöst sei. Zum Schluss würdigte sie die Bemühungen der ADO in Österreich und insbesondere die Verdienste des ADO Vertreters Aslan Ergen, der die Zusammenarbeit mit den politischen Stellen Österreichs seit jeher aufrecht erhält.
Zum Schluss bedankte sich Aslan Ergen als Mitorganisator bei den Vortragenden und Anwesenden für das große Interesse an der Veranstaltung. Den SPÖ Freunden dankte er dafür, dass sie zur Seite stehen, wenn Hilfe erforderlich ist. Er appellierte, dass man alles tun müsse, damit die über 3 Mio Menschen nicht umsonst gestorben sind. Es gehe nicht um Rache, sondern um Anerkennung der Geschichte. Die Türkei müsse diesen Schritt tun, bevor sie in die EU beitreten kann.
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