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Der Genozid an den Assyrern setzt sich fort

Genozid ist ein Wort, das von vielen Staaten nicht gerne ausgesprochen wird. Aber er ist ein Teil der assyrischen Geschichte und dauert bis zum heutigen Tage an. Die Auslöschung der assyrischen Christen samt ihren Zeugnissen im Nahen Osten scheint besiegelt zu sein durch die gegenwärtigen Ereignisse.

Es ist ein weiterer Völkermord, der jetzt auch durch den Islamischen Staat(IS) an den Nahost-Christen verübt wird und immer weitere Kreise zieht.

Mitte 2014 wurden in Mosul und in der Ninive-Ebene im Irak und im letzten Jahr 2015 in Khabour, Saddad und Qaryaten in Syrien alle Assyrer aus ihrer Heimat vertrieben. Überfälle auf assyrische Städte und Dörfer in Syrien und im Irak mit Ermordungen, Geiselnahmen, Vergewaltigungen sind heute an der Tagesordnung mit dem Ziel, die christliche Bevölkerung radikal auszulöschen.

Mesopotamien – zwischen Euphrat und Tigris -, die Heimat der christlichen Assyrer, war seit jeher ein Territorium von sehr großer politischer Relevanz. Als Volk in einer nichtchristlichen Umgebung erlebten die Assyrer Phasen der Unterdrückung ebenso wie Phasen relativer Sicherheit und Entfaltung.

Seit über 2000 Jahren sind die assyrischen Christen trotz der teilweise sehr massiven Bedrohung und Verfolgung, die heute verstärkt auch noch durch den IS stattfindet, immer noch ein Volk, das an seiner Kultur, Religion und Sprache festhält. Sie schufen auf diese Weise ein urchristliches Kulturerbe, das so lebendig ist, dass es nicht nur für die Assyrer von hoher Werthaltigkeit ist, sondern der ganzen Welt als Vorbild dient. Eine Vernichtung all dessen, wie es gegenwärtig geschieht, hätte einen Niedergang des gesamten Christentums zur Folge.

Der Höhepunkt der Verfolgung, des Völkermords und der Vertreibung fand im 20. Jahrhundert statt und setzt sich jetzt, im 21. Jahrhundert mit aller Grausamkeit fort. Zwischen 1895 und 1918 wurden über 500.000 Assyrer Opfer eines gezielten Völkermordes durch die osmanischen Militärs und der kurdischen Stammes-Führer.

Die schlimmste Verfolgung und Vernichtung  fand im Jahr 1915 statt. Dieses Jahr ist als „Jahr des Schwertes“ (saiyfo) in die assyrische Geschichte eingegangen.

Der Plan der Vernichtung aller christlichen Bevölkerungsgruppen stand bereits kurz nach der Machtübernahme durch die jungtürkische Regierung fest. Das zukünftige Regierungsprogramm, das 1911 vom „Komitee für Einheit und Fortschritt“ auf dem Kongress in Saloniki entworfen wurde, basierte auf einer Vorherrschaft der türkischen Rasse und dem Aufbau des Reiches auf islamischer Grundlage als die beiden ideologischen Säulen.

Der evangelische Theologe und Orientalist Johannes Lepsius belegte in seinen zeitgenössischen Berichten und Dokumentationen, dass die Ausrottung der Armenier eine Christenausrottung war, die Armenier, Pontos-Griechen und Assyrer gleichermaßen betraf.

Was im 1. Weltkrieg vor sich ging, war der Beginn eines Exodus der Assyrer, der sich bis heute massiv fortsetzt. Das assyrische Volk musste und muss sich ins westliche Exil flüchten, um als Volk zu überleben.

Bis heute weigert sich die Türkei vehement, den Genozid anzuerkennen. Diese ethnische Säuberung setzt sich jedoch bis auf den heutigen Tag fort durch Entführung, Vergewaltigung, Zerstörung der assyrischen Kultur, erzwungene Islamisierung, Kurdisierung, Türkisierung, Arabisierung und Vertreibung.

Dieser Genozid ist ein Angriff auf die Gesamtmenschheit. Aus diesem Grunde fordern wir seine Anerkennung durch korrekte Bezeichnung und damit Wertung als Völkermord sowie seine Verurteilung durch einen jeden Menschen, der sich nicht willentlich oder aus Nachlässigkeit außerhalb des Wertesystems der Menschlichkeit stellen will.

Die mehrtausendjährige Geschichte eines Volkes, das vor den Arabern und Türken im Nahen Osten ansässig war, droht zu erlöschen, wenn nicht die Weltgemeinschaft sich für die Rettung der Christen des Nahen Ostens mit all ihren Kräften und ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln einsetzt.

Von unseren Politikern hier in Europa erwarten wir daher vermehrt Solidarität gegenüber den Christen im Nahen Osten.

Wir müssen es mit allen Mitteln verhindern, dass eine Ausrottung der Christen dort stattfindet. Das wäre nicht nur ein schwerwiegender Verlust für den Nahen Osten, sondern hätte in letzter Konsequenz gravierende Folgen für das gesamte Christentum weltweit.

Daher appellieren wir nochmals an Kirche, Gesellschaft und Politik, sich mit den verfolgten Christen in Syrien und im Irak solidarisch zu zeigen und ihnen moralische, wirtschaftliche und finanzielle Unterstützung zukommen zu lassen.

Issa Hanna
2. Vorsitzender der Assyrischen Demokratischen Organisation

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