Mesopotamien Verein Augsburg e. V.

Gebro Aydin – „Von Anhil nach Augsburg“

Am 09. Dezember 2005 wurde der Vereinsmitbegründer Gebro Aydin mit der Medaille „Für Augsburg“ ausgezeichnet. Bethnahrin.de hatte nun Gelegenheit mit ihm ein kurzes Interview zu führen, um Gebro Aydin etwas näher kennen zu lernen. Die Laudatio der Stadt Augsburg ist am Ende des Gesprächs nachzulesen.

Shlomo Gebro, ich will dir zur Medaille „Für Augsburg“ aufs Herzlichste gratulieren.

Taudi, vielen Dank.

Gehen wir kurz auf einige persönliche Dinge ein. Wer ist Gebro Aydin?

Ich bin Assyrer aus dem Tur Abdin. Geboren wurde ich vor 51 Jahren in Anhil. Dort und in Istanbul habe ich meine Lehre als Schneider gelernt. Ich habe fünf Kinder (drei Söhne und zwei Töchter).

Was bedeutet für dich Heimat?

Heimat bezieht sich immer auf ein Land oder eine Gegend. Heimat ist für mich mein Geburtsland aber auch das Land in dem ich lebe: Deutschland. Heimat ist der Ort, an dem man sich wohl fühlt, also Augsburg, aber auch der Ort meiner Wurzeln: Anhil.

Seit wann bist du in Augsburg, Mitglied im Mesopotamien Verein Augsburg und welche Funktionen hast oder hattest du?

Am 28.05.1972 kam ich nach Augsburg und habe seit dem meinen Wohnort nicht gewechselt. Ich war Gründungsmitglied des Mesopotamien Verein Augsburg und hatte Anfangs den Innenkontakt als Aufgabe. Später übernahm ich den Außenkontakt, da meine Deutschkenntnisse besser als die der meisten anderen Assyrer waren. Ich war oft für den Verein unterwegs, wenn es darum ging, die Assyrer in Augsburg zu vertreten, da ich gerne auf Menschen zugehe. Dies liegt mir sehr.

Dir ist der Dialog der Kulturen und der Religionen sehr wichtig. Kannst du uns dazu einiges erzählen?

Der Mensch ist für mich das wichtigste auf der ganzen Welt, egal welcher Religion, welcher Nation oder welcher Kultur er angehört. Augsburg oder besser ganz Deutschland ist multinational und multireligiös. Wir müssen miteinander auskommen. Alle Menschen sind gleich und es ist die private Angelegenheit jedes einzelnen welcher Religion er angehört. Religion ist eine private Ebene zwischen einem selbst und Gott. Meine Motivation als Assyrer ist vor allem, dass wir uns nicht gegenüber anderen verschließen, sondern uns in die deutsche Gesellschaft integrieren. Dies war auch seit Gründung des Mesopotamien Vereins ein Hauptziel und ist in der Satzung fest verankert: die eigene Kultur und Sprache pflegen, jedoch sich nach außen öffnen und integrieren.

Du wirst von einigen als der eigentliche Bürgermeister der Stadt Augsburg tituliert. Kannst du uns sagen wieso?

Dies ist mir neu und ich nehme derartiges nicht so ernst. Ich bin ein einfacher Mensch und will dies auch bleiben. Es gibt bestimmt andere Persönlichkeiten die diesen Titel eher verdienen.

Hast du assyrische, deutsche oder internationale Idole?

Ich habe keine spezielle Person als Idol. Für mich sind alle Idole, die sich für die Einheit der Nationen und den Frieden zwischen den Nationen arbeiten.

Die Assyrer sind ein Volk mit einer langen Geschichte. Hat dieses Volk auch eine Zukunft?

Das liegt einzig und alleine an uns. Wir müssen unsere Geschichte wahren. Ich habe große Hoffnung, dass dies geschieht, weiß aber, dass wir einiges unserer Kultur aufgeben werden. Anderes wird hinzukommen und uns bereichern. Ich bin da optimistisch, denn unsere Geschichte wird dann weiterleben, wenn wir sie beleben.

Was wünscht du dir persönlich?

Die Dinge sollen bleiben wie sie ist, denn ich bin mit meinem Leben zufrieden. Ich bin Optimist und lebe von einem Tag zum nächsten. Spezielle Wünsche habe ich nicht.

Was willst du uns am Schluss unseres Interviews als letzte Worte mitgeben?

Ich will dass jeder nach seinen Möglichkeiten auf seine Kultur aber auch die Kulturen anderer Völker achtet. Damit alle Völker in Frieden leben, muss jeder die Regeln des Miteinanderlebens beachten.

Taudi sagi. Vielen Dank für das freundliche Gespräch.

Taudi ste elaychu.

Für das Webteam
Shlemun Shushe

Das Interview wurde teils auf deutsch, teils auf assyrisch geführt.

 

Zum Schluss noch einige Auszüge aus erhaltener Briefe an Gebro Aydin:

Regionalbischof Dr. Ernst Öffner (Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern): „Sie haben viel beigetragen zur Verständigung der Religionen und Kulturen in unserer Stadt.“

Theo Gandenheimer (Bürgermeister a. D.): „Sie zeigen damit, dass nicht die große Politik unser Europa baut, sondern Menschen wie Sie.“

Stadtsparkasse Augsburg: „Diese Auszeichnung ist eine Anerkennung ihrer besonderer Verdienste und ihres persönlichen Engagements.“

Laudatio der Stadt Augsburg:

Herr Gebro Aydin ist seit vielen Jahren in der interkulturellen Arbeit tätig. Seit etwa 25 Jahren wohnt und arbeitet er als Landschaftsgärtner in unserer Stadt. Gebro Aydin gehört zu den Mitbegründern des seit 1978 bestehenden Mesopotamienvereins, in dem er 19 Jahre lang dem Vorstand angehörte und noch bis heute als Vereinsmitglied aktiv ist. Darüber hinaus war er sehr lange Vorstandsmitglied der Bürgeraktion Lechviertel und engagierte sich seit 1997 – also von Anfang an – im Forum interkulturelles Leben und Lernen (FILL). Seinem Einsatz ist es zu verdanken, dass sich das Mesopotamische Kulturzentrum in Oberhausen für die Augsburger Stadtgesellschaft geöffnet hat und bei zahlreichen Festen ein Gefühl der Zusammengehörigkeit aller Bewohner seines Stadtviertels – unabhängig von seiner Herkunft – zu schaffen versucht.

Seine große Leidenschaft gilt der interkulturellen Theaterarbeit. Mit der Theatergruppe des Mesopotamienvereins hat er in Zusammenarbeit mit dem professionellen Metatheater die beiden Stücke „Gilgamesch“ und „Babylon“ aufgeführt. Er war einer der Motoren des interkulturellen Theaterprojekts „Garten Eden – verlorenes Paradies?“, das im Rahmen des Festjahres PAX 2005 aufgeführt wurde und in dem er selbst mitgespielt hat. Ohne ihn, ohne seine Initiative und Beharrlichkeit wäre dieses Projekt nicht zustande gekommen.

Herr Aydin, der sich übrigens auch beim Bündnis für Augsburg als Kulturbotschafter engagiert, ist in der Stadt Augsburg durch seine vielfältigen Aktivitäten und seine hohe interkulturelle Kompetenz bekannt. Er leistet mit seinem Engagement und seinem unverwüstlichem Optimismus einen unverzichtbaren Beitrag für das Miteinander der verschiedenen Kulturen und Religionen in unserer Stadt. Seine Person ist geprägt von hohem Verantwortungsgefühl gegenüber Pflichten, die Menschen im Zusammenleben miteinander haben. Herr Aydin hat sich um die Integration und den interkulturellen Austausch in Augsburg verdient gemacht.

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