Rede von Issa Hanna (ADO)

Abu Mardukh: Sein Geist bleibt unter uns

Am 4. Februar 2017 hielt Issa Hanna, Mitglied der Assyrischen Demokratischen Organisation, im Assyrischen Mesopotamien Verein Gütersloh e.V. eine Rede anlässlich des einjährigen Gedenktages zu Ehren des ADO-Kämpfers Noman Hanna.

Noman Hanna (Abu Mardukh), der im Jahr 1953 in Damku-Akkabir/Qamishli geboren wurde, war Zeit seines Lebens ein Kämpfer für Recht und Gerechtigkeit, trotz willkürlicher Verhaftungen und Folter, denen er durch die Arbeit für das assyrische Volk ausgesetzt war.

Er besuchte in seinem Heimatdorf die Grundschule und anschließend das Gymnasium in Kamishli, das er 1973 mit dem Abitur abschloss. Im Jahre 1978 leistete er den Wehrdienst ab und studierte dann 1983 in Damaskus Soziologie und Philosophie.

Noman Hanna war ein Kämpfer unter seinen Kameraden, seinen Freunden in der Assyrischen Demokratischen Organisation.

Er setzte sich dafür ein, dass das Assyrische Neue Jahr am 01. April einen festen Platz unter den Feierlichkeiten in Kamishli erhielt. Zunächst musste er dies im Geheimen tun, bis es schließlich in der Öffentlichkeit gefeiert werden durfte.

Ein weiteres Verdienst war die Einführung des Naum-Faik-Gedenktages, des Dichterfürsten unter den Assyrern in Qamishli, der am 05. Februar zelebriert wird.

Auch kämpfte er unermüdlich für die assyrischen Traditionen, so setzte er durch, dass auf assyrischen Hochzeiten die Volksgesänge bewahrt wurden.

Er setzte sich mit all seinen Kräften dafür ein, dass die Neugeborenen endlich die Namen ihres assyrischen Volkes erhielten.

Nach  Krankheit starb Abu Mardukh am 23.11.2015 in seiner Heimat Syrien im Alter von nur 63 Jahren. Mit Noman Hanna ist ein Mann von uns geschieden, dessen Geist das assyrische Volk immer in seinem Herzen bewahren und niemals vergessen wird.

Wir alle feiern heute (04.02.2017 in Assyr.-Mesopot.-Verein Gütersloh) den ersten Jahrestag nach dem Tod  von unserem und Eurem Abu Mardukh. Ein ganzes Jahr ging wie im Flug vorbei. Bis heute fühlten wir nicht einen Moment, dass er von uns gegangen ist. Er ist immer noch mit seiner Seele bei uns. Ich denke bei jeder Begegnung, bei jedem Gespräch, bei jedem Workshop und an jedem Abend mit Freunden an ihn. Er ist unter uns in seiner ganz speziellen Art, mit seiner Sanftmut, seiner Zuneigung, mit seiner großen Sympathie und seiner Glaubwürdigkeit. Mit ihm haben wir einen Freund, einen Gefährten und Kämpfer verloren. Seine Persönlichkeit hatte alles von einem tatsächlichen Kämpfer, von der Aufrichtigkeit des Glaubens an die Sache bis zur Hingabe an die Sache, den Einsatz für diese und das- den Worten Taten folgen zu lassen – und zu geben und sich zu bemühen ohne an Gefahren und Verluste zu denken.

Sein Haus war unser Haus und Euer aller Haus. Es war das Haus von allen, die ihn kannten und seine Freundschaft gewonnen hatten, von allen, die die Freundlichkeit, die Gastfreundlichkeit,  das große Herz,  die Bescheidenheit und Glaubwürdigkeit seiner Person, seiner Lebensgefährtin und seiner Kinder schätzten.

Er ist früh von uns gegangen. Er war in der Blüte seines Lebens. Er ging bevor er seinen Weg vollendet und seine Träume verwirklicht hatte. Aber das ist das Gesetz des Lebens.

Wir Lebenden müssen alle dieses Glas der Bitterkeit trinken, jeder zu seiner Zeit. Genau wie es das Schicksal für jeden von uns vorgesehen hat. Für viele bedeutet der Tod Untergang und Vergessen. Er bedeutet für viele Abschied, wie das Fallen der Blätter im Herbst. Für einige, wenige jedoch, deren Leben von Liebe, Heldentaten, Opferbereitschaft und Bereitschaft zu Geben geprägt war, bedeutet der Tod auch einen Neuanfang, ein neues Leben, diesmal ohne Tod. Denn diese bleiben in der Erinnerung des Volkes ewig lebendig. So wird auch unser Gefährte Noman in unserer Seele und in unserer Erinnerung ewig lebendig bleiben.

Vor vierzig Jahren trafen wir ihn das erste Mal. Während langer Jahre verband uns ein gemeinsamer Weg und ein gemeinsamer Kampf in den Reihen der Assyrischen Demokratischen Organisation (ADO), für unser assyrisches Volk, zur Verwirklichung legitimer, nationaler Rechte zur Garantie von Leben und Freiheit als eigenes Volk; dies alles im Rahmen eines globalen, demokratischen Systems, das auf die Grundpfeiler der Gerechtigkeit, der Gleichheit und der Menschenrechte aufbaut.

In diesen Kampf war er ein lebendiges Beispiel für Pflichtbewusstsein, Bereitschaft zu geben, für Opferbereitschaft und Bestätigung von Grundsätzen und Positionen. Sie, die sie ihn bei seiner ersten Verhaftung am 23.12.1986 begleitet haben (der Gefährte Bashir Saadi und der Gefährte Lahdo Gorgis)  haben selbst seine Standfestigkeit erlebt, als sie in der Gemeinschaftszelle in einem Keller in Qamishli saßen. Alle waren sie auf dem Transport ins Al Mazze-Gefängnis in Damaskus mit Eisenketten aneinander gekettet.  Diese bittere Erfahrung und die Folter im Ermittlungskeller haben ihm nichts von seiner Standfestigkeit und Sturheit genommen. Vielmehr blieb er seiner Überzeugung treu und klammerte sich an seinen Boden und an sein Vaterland, an die Sache seines Volkes, immer bereit kommenden Gefahren zu begegnen.

Auch seine zweite Verhaftung wenige Monate später hat nicht an seinem Willen gerüttelt. Ein zweites Mal wurde er willkürlich verhaftet und in den Kellern des Geheimdienstes in Qamishli gefoltert. Wahrscheinlich haben die rostigen Ketten der Gefängniszellen, mit denen sie seine Füße bis zu ihrer Abnahme fesselten, wahrscheinlich haben sie ihn zum Leben geführt.

Als er ein Jahr vor seinem Tod immer kränker wurde, als es mit seiner Gesundheit bergab ging und die Ärzte rieten, er solle sich im Ausland behandeln lassen, wurde plötzlich ein Haftbefehl gegen ihn erlassen, der es ihm untersagte das Land zu verlassen. Er entschloss sich zu bleiben und nicht zu reisen. Er wollte wenn, dann nur über offizielle Grenzübergänge des Regimes reisen, bis das Leid des Vaterlandes ein Ende haben und das Land wieder sicher und friedlich werden würde. Auch wenn ihn dies sein Leben kosten würde. So taten die Krankheit und das Schicksal das ihrige. Dichter al-Mutanabbi sagte: „Wenn die Seelen alt sind, altern in ihrem Bestreben die Körper.“

Die Assyrische Demokratische Organisation (ADO) war für ihn sein Selbst und sein Sein, sein Haus und seine Familie. Die Grundsätze der Organisation vermittelte er seinen Söhnen und Töchtern und formte so ein lebendiges Beispiel von einer beispielhaften, nationalen Familie. Es begleitete ihn in seinem Beruf, bei seiner Botschaft und in allen Dingen seines Lebens und Kampfes, jeden Moment, seine vortreffliche Gemahlin und Begleiterin, Frau Dr. Ghazale/Eila Malki Murad, die immer ein lebendiges Beispiel für eine vortreffliche Ehefrau und für eine beispielhafte Kämpferin war und die nach dieser schmerzlichen Trennung viele schwere, bittere Tage mitmachen, viele schwere Lasten tragen, außerdem schwierige Verantwortung übernehmen musste und auch mit Geduld und eisernem Willen, weiter übernehmen wird.

Der Gefährte, Freund und Bruder, Habro Noman Hanna (Abu Mardukh) ist mit körperlich von uns gegangen. Seine Seele jedoch wird bei seiner Familie, bei seinem Volk und den Söhnen seines Vaterlandes in Erinnerung bleiben. Hier möchte ich ein Wort unseres Denkers Naum Faiq sprechen lassen. Dieser sagte: „ Jeder der für das Volk gearbeitet und gekämpft hat und seinen wertvollen Körper dafür eingesetzt hat, wird in der Erinnerung von Generation zu Generation lebendig bleiben. „ Der heilige Aphrem der Assyrer sagte: Die gesamte Welt vergeht, der rechtschaffene Name aber bleibt.“

Wir sind hier zusammengekommen, um Deinem ersten Todestag zu gedenken Abu Mardukh. Wir denken an Dich und wir werden auch weiterhin an Dich denken; unsere Lieben die dein Ableben erträglicher machen, Deine Partnerin und die blühenden Früchte, Deine Söhne und Töchter; vertrauenswürdige und ehrbare Menschen. Sie bemühen sich, Deinen Weg zu Ende zu führen. Sie schreiten auf Deinem Weg und tragen Dein Banner stolz und hoch bis Dein, unser aller Traum auf Leben und Freiheit Wirklichkeit geworden ist.

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