Seyfo Center

Seyfo-Denkmal wird erstmals in Pohlheim errichtet

Mit dem Beschluss des Stadtparlaments im November 2017 schrieb die Stadt Pohlheim Geschichte. Das erste Seyfo-Denkmal wird nun auf einem öffentlichen Platz in Pohlheim errichtet. Seyfo steht für den Genozid im Osmanischen Reich um 1915, verübt an den Assyrern, Armeniern und Pontos-Griechen durch die Jungtürken.

Um diesbezüglich nähere Einblicke zu erfahren, haben wir einen der Protagonisten interviewt, der einen großen Teil mit seinem Engagement dazu beigetragen hat, dieses Vorhaben durchzusetzen.

Israel Budak, 37, ist vierfacher Vater, Diplom-Verwaltungswirt Beamter im gehobenen Dienst und Beschäftigter in der Kreisverwaltung Gießen.

Schon zu Anfang des Gesprächs verspürte man diese dynamische mit Herzblut erzählende Stimme, die darüber mit Ehrfurcht und Stolz berichtet, welche Hürden er auf dem Weg zur Errichtung eines Seyfo-Denkmals in Pohlheim erlebt hat.

Seyfo Center: Sehr geehrter Herr Israel Budak, was hat Sie persönlich dazu bewogen, sich für ein Denkmal des Seyfo stark zu machen?

Israel Budak:

Die Beweggründe, ja das kann man wie ein Prozess sehen. Als junger Knabe, haben mich die Erzählungen meiner beiden Großväter, die den Seyfo/Genozid miterlebt haben, stark geprägt.

Mich haben diese zutiefst schrecklichen Geschichten, die meinem Volk auf barbarische Art und Weise zugefügt wurden, sehr bewegt.

Und solch prägende Geschichten, die von großem Leid und Trauma berichten, trägt man als Sohn dieses Volkes immer mit sich.

Seyfo Center: Sie hatten sich bis dato mit Politik nicht wirklich beschäftigt. Was war der Grund, dass Sie für sich die Entscheidung getroffen haben, politisch aktiv zu werden?

Israel Budak:

Der Hauptgrund war Mosul 2014.

Für mich stand fest, dass jetzt dringend politisch etwas in Bewegung gesetzt werden muss, da der Genozid in der Heimat fortschreitet. Aber diesmal sind es nicht Erzählungen, die man hört, sondern die Tatsache, dass ich es in der heutigen Zeit miterlebe, wie erneut mein Volk zur Zielscheibe wurde und wieder großes Leid erfährt.

Seyfo Center: Seit wann arbeiten Sie an dieser Denkmal-Thematik?

Israel Budak:

2014 starteten wir zunächst eine Großdemonstration mit 2.000 Mann, um uns für eine friedliche Lösung im Irak/Syrien stark zu machen und um Aufmerksamkeit zu erlangen. An dieser Großdemonstration waren Yeziden, Kurden, Griechen, Assyrer/Aramäer, Kopten und Inder mitbeteiligt.

2015 wurde dann ein vier-Mann-Team gegründet, um nun speziell die Seyfo Thematik durchzusetzen.

Seyfo Center: Welche Personen waren mit Ihnen in diesem vier-Mann-Team?

Israel Budak:

Zum einem war es Malek Yacoub, Mitglied seit 20 Jahren in der SPD, davon seit 10 Jahren aktiv in der Kommunalpolitik.

Istayfo Turgay, Kreisbeigeordneter und seit 2016 Integrationsdezernent des Landkreises Gießen und Fadi Touma, welcher Mitglied bei der SPD ist und im Bereich der Stadtverordnetenversammlung Ausschuss für Bauen, Stadtentwicklung und Umwelt tätig ist.

Seyfo Center : Welche Hindernisse mussten Sie überwinden, beziehungsweise welche Probleme kamen auf, bis Sie soweit gekommen sind, dass dieses Denkmal nun errichtet wird?

Israel Budak:

Wir haben unsere Ziele zunächst dem SPD-Vorstand vorgestellt. Die Priorität lag bei der Forderung des Seyfo-Denkmals und die Vereinsstrukturen unserer Landsleute zu stärken. Wir mussten sehr viel Überzeugungsarbeit aufbringen, um unsere Ziele auch zu erreichen.

In allen Punkten haben wir dann vollen Zuspruch erhalten und die Kommunalwahlen erfolgreich angegangen und waren nun mit zwei Sitzen durch Malek und Fadi im Stadtparlament vertreten. Ich wurde ins Magistrat gewählt und Istayfo kam auf der Kreisebene in den Kreisausschuss.

Um eine Mehrheit im Stadtparlament zu erreichen, haben wir die Gespräche mit den anderen Parteien, die in dem Pohlheimer Stadtparlament vertreten sind, aufgenommen. In der CDU haben wir zwei Parlamentarier aus unserem Volk Sonja Can und Malke Aydin, die bei der Kommunalwahl reingewählt wurden. Diese günstige Voraussetzung brachte uns dazu, dass das Seyfo-Denkmal als gemeinsamen Antrag der Fraktionen der Pohlheimer CDU und SPD ins Parlament eingebracht wurde. Somit konnten wir unsere Forderung in die Tat umsetzen.

Seyfo Center: Wie genau stellt man beim Stadtparlament die Forderung auf ein Denkmal? Können Sie es uns näher erläutern?

Israel Budak:

Es wurde ein politscher Antrag gestellt. Dieser wurde von Prof. Dr. Ernst-Ulrich Huster (SPD) im Namen der Fraktionen von SPD und CDU ins Stadtparlament eingebracht. Er ist ein großer Befürworter und auch hier möchte ich mich für seinen unermüdlichen Einsatz bedanken.

Wir wussten von vorneherein, dass dieses Vorhaben seitens der Türkei starken Druck und Widerstand erfahren wird. Dennoch war Prof. Dr. Huster, nachdem er sich mit der Thematik eindringlich befasst hatte, fest der Meinung und Überzeugung, dass dieses Denkmal, einen starken Beitrag zur Versöhnung zwischen unterschiedlichen Ethnien und Religionen leisten kann und die Integrationsarbeit unterstützt.

Seyfo Center: Welche Forderungen/Punkte wurden in diesem Antrag erbeten?

Israel Budak:

Von großer Bedeutung war es für uns, dass die Stadt Pohlheim die Errichtung eines Denkmals an einer öffentlichen, zentral gelegenen Stelle befürwortet und das Magistrat die Suche nach einem passenden Standort unterstützt. Mit einem Beirat, welches dafür zeitnah gegründet wird, sollen gleichermaßen je ein Vertreter der Pohlheimer orthodoxen Kirchen und ein weiterer aus der betroffenen Region stammenden christlichen Gemeinschaften, sowie dem Bürgermeister und je ein Vertreter der Fraktionen im Stadtparlament bestehen und die Gestaltung des Denkmals gemeinsam entscheiden.

Seyfo Center: Im Namen welcher Organisation wurde der Antrag für das Denkmal gestellt?

Israel Budak:

Keine Organisation. Wir haben dies im Namen der Bewohner und Bürger der Stadt Pohlheim gestellt, um ihre Sorgen nach außen hin zu tragen, als gewählte Stimme für unserem Volk. Uns war es wichtig, dass unser Volk einen Ort des Gedenkens der historischen Geschehnissen angeboten und so die Geschichte festgehalten wird.

Seyfo Center: Wurde der Beschluss des Stadtparlaments einstimmig gefasst oder gab es Gegenstimmen?

Israel Budak:

Es sind 37 Sitze im Stadtparlament von Pohlheim vorhanden, die mit ihrem Stimmrecht über die Politik von Pohlheim entscheiden.

Ohne jegliche Gegenstimme wurde einstimmig die Errichtung des Denkmals befürwortet und so wie beantragt beschlossen.

Dieser Moment ist mit Worten nicht zu beschreiben. Noch nie gab es in der Geschichte von Pohlheim so einen Andrang von Menschen. Über 300 Mann waren an diesem Tag anwesend und haben spannend die Entscheidung mitverfolgt. Die Freude und Dankbarkeit an die Stadt Pohlheim konnte man den Menschen am Gesicht erkennen. Dieses Ereignis bleibt einzigartig, für jeden Einzelnen von uns.

Seyfo Center: Wann und wo wird das Denkmal errichtet?

Israel Budak:

Da der Antrag einstimmig akzeptiert wurde, wird das Denkmal an einem zentral öffentlich gelegenen Ort in der Nähe des Rathauses errichtet. Der Beirat, ein Gemisch aus Politikern und Vertretern der Assyrer/Aramäer, werden sich im Frühjahr zusammensetzen und die Ziele und Zeitpunkt festlegen.

Seyfo Center: Wie wird das Denkmal aussehen und wer hat oder wird es entwerfen beziehungsweise designen?

Israel Budak:

Über das Design wird sich der Beirat beschäftigen. Ich würde es sehr begrüßen, wenn der Beirat dabei die Architekten, Künstler oder weitere Fachleute aus unserem Volk damit beauftragt, da diese bereits einen Bezug zu dieser Thematik verfügen. Für uns ist nicht die Größe oder dass es aus Gold besteht entscheidend, sondern einzig allein die Symbolik. Es soll ein Ort des Erinnerns und Versöhnung sein und ein Ort der Verankerung unserer Kultur.

Seyfo Center: Wann soll die offizielle Einweihung stattfinden?

Israel Budak:

Unser Plan und Ziel ist, die Einweihung am 15. Juni 2018 zu gestalten, da dieser Tag symbolisch der Tag der gefallenen assyrischen/aramäischen Märtyrer ist.

Seyfo Center: Was möchten Sie unserem Volk noch sagen?

Israel Budak:

Was mir besonders auf dem Herzen liegt, ist dass mein Volk vor allen Dingen die Jugend, für das öffentliche Leben Interesse bekundet und die bestehenden Systeme und Strukturen mitgestaltet. Unsere Generation ist die Brücke zwischen Orient und Okzident.

Für die Zukunft wäre es wundervoll, wenn wir dieses wie ein Leuchtturmprojekt sehen, dass auch weitere Städte, wie zum Beispiel Gütersloh, Heilbronn und Augsburg, folgen und ihre Stimme erheben, um auf das Unrecht, was unseren Vorfahren widerfahren ist, aufmerksam zu machen.

Am 2. Juni 2016 hat sich der Deutsche Bundestag mit breiter Mehrheit zu seiner Mitverantwortung bekannt. Ein weiteres Ziel ist es, auf Bundesebene lauter zu werden und den Seyfo in die deutschen Geschichtsbücher mit reinzubringen.

Da würde ich mir wünschen, dass sich die Historiker aus unserem Volk dafür stark machen, damit unsere Kindes-Kinder ihre Herkunft und Kultur verfolgen können. Deswegen benötigen wir ja so dringend Denkmäler an öffentlichen Plätzen, Ehrenamt und Jugend-Vereinsarbeit, welche unsere wertvolle Kultur, Sprache und Herkunft zusammenhalten kann.

Interview Ende

Das Interview wurde Dezember 2017 mit Israel Budak durchgeführt. Interviewpartnerin war Zena Celik, stellvertretende Vorsitzende des Seyfo Center e.V. Deutschland.

Quelle: Seyfo Center

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