Willkommen im Jahr 6762

Neujahrsempfang des Mesopotamien Verein Augsburg

Der Mesopotamien Verein Augsburg e. V. lud am 01. April 2012 zum Assyrischen Neujahrsempfang ein. Dieser Einladung folgten viele bekannte lokale Gesichter aus Augsburg und Umgebung. Hierzu können als Beispiel Peter Grab (Kulturreferent der Stadt Augsburg) wie auch Michael Grabow (Regionalbischof der Evang.-Luth. Kirche in Augsburg) genannt werden, die ebenfalls eine kurze Rede an diesem Tag hielten.

Nachdem der Vorsitzende des Mesopotamien Verein Augsburg, Suleymann Ögünc, sein Grußwort vorgetragen hatte, konnte Herr Lahdo Malki mit dem aktuellen Statement der Assyrischen Demokratischen Organisation (ADO) den anwesenden Personen die derzeitige Lage in Syrien näher vorführen. Beides ist unten vorzufinden. Nach musikalischen und folklorischen Darbietungen hatten die Teilnehmer bei einem offenen Buffet die Möglichkeit, sich mit verschiedenen assyrischen Spezialitäten zu stärken.

Assyrisches Neujahrsfest

01.04.2012 | Augsburg
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Der Mesopotamien Verein bedankt sich bei allen Helfern für ihre tatkräftige Unterstützung, ohne denen dieser Neujahrsempfang nicht zustande gekommen wäre und hofft, dass es für alle Teilnehmer eine informative Veranstaltung gewesen war.

Grußwort vom 1. Vorsitzenden Suleyman Ögünc

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste, liebe Freunde, liebe Vereinsmitglieder,

ich wünsche Ihnen allen im Namen des Vorstands des Mesopotamien Vereins ein Frohes Assyrisches Neues Jahr: Shato othurayto Brikhto.

Nach dem Assyrischen Kalender schreiben wir das Jahr 6762. Einige werden sich die Frage stellen, wie diese Zahl zustande kommt? Mit der Gründung des Ashur-Tempels 4750 Jahre vor Christus beginnt die Zeitrechnung der Assyrer. Wenn wir also 4750 und 2012 zusammenrechnen, kommen wir auf das Jahr 6762.

Wir feiern den Beginn des Jahres nicht im Winter, sondern im Frühling, zu einem Zeitpunkt in dem die Natur neu zu blühen beginnt. Eigentlich erscheint das logisch.

Ich zitiere hier nun einige Zeilen der aktuellen Mitteilung des Zentralverbands der Assyrer mit einigen persönlichen Ergänzungen:

Mit dem AKITU-Fest (wie das Neujahrsfest auch genannt wird) fängt für alle Assyrer rund um den Globus ein neues Jahr an. Ein neues Jahr, das die Hoffnung nach Frieden, Glück, Gesundheit und vor allem nach Freiheit bringen soll. Die Freiheit, die der neue Bundespräsident Joachim Gauck als zentrales Thema seiner Präsidentschaft bezeichnet hat – aber dazu noch später.

Seit nunmehr 6762 Jahren wird das AKITU-Fest zum Jahresanfang, dem 01. April, gefeiert. Das AKITU-Fest soll den Beginn des neuen Jahres, in dem das graue und veraltete Kleid des vergangenen Jahres abgelegt und gleichzeitig ein neues Farbenfrohes angezogen wird, in dem die Natur zu neuem Leben erwacht und die Menschen neue Hoffnung auf ein besseres Jahr schöpfen, symbolisiert werden. Die Feierlichkeiten am 01. April (Ha-Nison/Ha Nisan) sind ein Zeugnis für die Verbundenheit der Assyrer mit den alten Traditionen und Bräuchen, die seit Jahrtausenden lebendig geblieben sind.

Feierlichkeiten mit Musik, Folklore und gemeinsame Aktivitäten, sollen zudem den Drang zur Einheit und zur Verständigung miteinander hervorrufen.

Auch in diesem Jahr werden zehntausende Assyrer aus aller Welt das AKITU-Festival im heutigen Nordirak- dem historischen Zentral-Assyrien – feiern.

In diesem Jahr haben wir die besondere Freude, dass Vertreter unserer beiden assyrischen Verbände in Deutschland -Zentralverband der assyrischen Vereinigungen in Deutschland und europäischen Sektionen (ZAVD) und Assyrischer Jugendverband Mitteleuropa (AJM) – an den Feierlichkeiten in Assyrien teilnehmen werden, um unsere Verbundenheit mit unserem Volk in unserer Heimat zu übermitteln.

Trotz der traditionellen Feierlichkeiten sehen wir uns dennoch veranlasst, auf die ununterbrochen andauernden Diskriminierungen, Vertreibungen, Ermordungen und Zerstörungen in unseren Heimatländern – dem Irak, Syrien und der Türkei – hinzuweisen.

Und hier komme ich wieder auf das Thema Freiheit zurück, von dem ganz Deutschland in den letzten Wochen und Monaten im Zusammenhang mit der Wahl zum neuen Bundespräsidenten Joahim Gauck spricht.

In Deutschland ist Freiheit für alle Bürger selbstverständlich. In den Ländern aus denen wir kommen ist sie es leider nicht:

Um die Pressefreiheit steht es in der Türkei schlechter statt besser. Die Repression gegen kritische Journalisten nimmt zu, obwohl die Pressefreiheit einer der Prüfsteine für die Aufnahme der Türkei in die EU ist. Die aktuelle Situation bereitet Anlass zur Sorge, dass sich die Lage weiter verschlechtert. Journalisten und ihre Meinung werden mit den Themen gleichgesetzt, über die sie schreiben und wie Aktivisten betrachtet.

Wie es die Türkei tatsächlich mit seinen Minderheiten hält, sieht man am Beispiel des syrisch-orthodoxen Klosters Mor Gabriel. In mehreren seit Jahren andauernden Gerichtsverfahren droht dem Kloster die Enteignung und so letztlich der Abriss einer mehr als 1600 Jahre alten klösterlichen Tradition. Damit wären das kulturelle Erbe der Assyrer sowie der Fortbestand der gesamten assyrischen Kultur in der Türkei bedroht. Der Erhalt des Klosters Mor Gabriel in seiner jetzigen Form ist ein entscheidender Gradmesser für den Umgang des türkischen Staates mit religiösen Minderheiten im eigenen Land. (Quelle: Erika Steinbach )

In Washington hat aktuell am 20.03.2012 die US-Kommission für internationale Religionsfreiheit knapp mit fünf gegen vier Stimmen das Nato-Land Türkei auf die Liste „besonders besorgniserregender Staaten“ gesetzt und damit Unmut im Außenministerium ausgelöst. Dies rief den Protest des türkischen Botschafters in den USA hervor. Nach Kontaktaufnahme mit dem US-Außenministerium versuchte Kommissionsmitglied Donald Argue, seine Abstimmung nachträglich zu revidieren. Doch nach den Statuten ist das nicht möglich. Die 1998 ins Leben gerufene Kommission empfiehlt der US-Regierung, Sanktionen gegen Länder zu erlassen, in denen die Religionsfreiheit schwer verletzt wird. Die Regierung muss den Empfehlungen aber nicht folgen. (Quelle: idea.de)

Wie sieht es im Irak aus?

Joe Stork, stellvertretender Direktor der Abteilung Naher Osten von Human Rights Watch, sagt dazu: „Acht Jahre nach dem Einmarsch der USA haben sich die Lebensbedingungen für Frauen und Minderheiten de facto verschlechtert. Auch die Rechte von Gefangenen und Journalisten werden massiv verletzt“ und „Heute steht der Irak am Scheideweg – entweder er respektiert die Menschenrechte und Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit oder er wird ein Polizeistaat.“ (Quelle: Human Rights Watch)

Wie die aktuelle Lage in Syrien aussieht wird uns unser Festredner noch zeigen.

Liebe Gäste, wir Assyrer danken der hiesigen Gesellschaft, dass wir sämtliche Freiheiten geniesen dürfen. Freiheiten, die in den Herkunftsländern nicht selbstverständlich sind.

Ich möchte meine Rede beenden mit zwei Zitaten von Naum Faik, einem assyrischen Vordenker, der 1930 im Exil gestorben ist:

Das Erste lautet:

“Die Entwicklung der Völker ist abhängig von ihrer Freiheit, die ihnen nicht geschenkt wird, sondern die beansprucht und genommen werden muss.”

Das Zweite lautet:

“Es ist besser für einen Menschen das Leben zu verlieren, als die Freiheit des Denkens und Handelns zu verlieren.”

Worte, die Bundespräsident Joachim Gauck nicht besser hätte sagen können.

Ich wünsche uns allen ein frohes neues Jahr 6762.

Shato othurayto brikhto. Taudi sagi.

Das folgende Statement der Assyrischen Demokratischen Organisation wurde von Herrn Lahdo Malki vorgetragen

Mitte März 2011 hat der sog. „Arabische Frühling“ Syrien erreicht. Unter den oppositionellen Kräften sind auch Assyrer. Sie fordern Demokratie, Freiheit und Selbstbestimmung. Doch man kann zum jetzigen Zeitpunkt keine Prognosen abgeben, in welche Richtung die Machtverhältnisse sich entwickeln und welche Folgen sich für die knapp 3 Millionen Christen ergeben.

Jeden Tag fordern die Militäraktionen neue Todesopfer und die Gewalt der Sicherheitskräfte gegen die Bevölkerung eskaliert.

Seit nahezu fünf Jahrzehnten leidet das Land nunmehr unter strukturellen Krisen in den Bereichen Politik, Wirtschaft, Kultur und vor allem im Bezug auf die Einhaltung der Menschenrechte.

Das Regime missachtet bürgerliche Freiheiten und Rechte. Es verwehrt den Menschen die Teilnahme am politischen Leben. Damit blockieren die Machthaber sämtliche Wege zu Fortschritt und Entwicklung, die für den Erfolg einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind.

Das syrische Volk hat deshalb die Hoffnung und das Vertrauen in die Fähigkeiten der Regierung auf Reformen und Veränderungen verloren.

Forderungen für ein neues Syrien

  • Das neue Syrien ist ein demokratischer, pluralistischer und ziviler Staat; eine parlamentarische Republik mit Souveränität des Volkes basierend auf den Grundsätzen gleichberechtigter Staatsbürgerschaft mit der Gewaltenteilung, reibungsloser Übertragung der Macht, der Rechtsstaatlichkeit, des Schutzes und der Gewährleistung der Rechte von Minderheiten.
  • Das neue Syrien garantiert für all seine Bürger, was durch internationale Gesetze in Bezug auf die Menschenrechte und grundlegende Freiheit des Glaubens, der Meinungs-, Rede-, Versammlungs-, Pressefreiheit und andere Rechte erklärt wird. Darüber hinaus werden alle seine Einwohner gleiche Rechte und Pflichten ohne Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft, Religion oder Geschlecht genießen.
  • Das neue Syrien, mit seinem zivilen und demokratischen System und der Verfassung, bietet die beste Sicherheit für alle Syrer aller ethnischen und religiösen Hintergründe.
  • Die Verfassung garantiert die nationalen Rechte für das assyrische Volk und eine Lösung für die assyrisch-syrische Frage in einer demokratischen und fairen Art und Weise im Rahmen der Einheit des syrischen Territoriums und der Menschen, sowie die Ausübung der Rechte und Pflichten durch gleichberechtigte Staatsbürgerschaft unter allen Bürgern.
  • Das neue Syrien garantiert volle Rechte von Frauen, einschließlich der Gewährleistung ihrer wirksamen Beteiligung am politischen Leben und allen anderen Sektoren.

Perspektiven der Assyrer in Syrien

In Syrien leben derzeit mehr als 3 Millionen Christen – und zwar als eigenständige indigene Volksgruppe. Sie bilden dort eine Minderheit mit eigener Sprache, eigener Kultur und vor allen Dingen leben sie hier in ihren historischen Siedlungsgebieten. Dennoch sind sie in Syrien nur als religiöse bzw. konfessionelle und nicht als ethnische Volksgruppe anerkannt.

Die Demokratie und Stabilität des neuen Syriens werden also nur dann verwirklicht sein, wenn sich das Land imstande erweist

  • die Existenz und Rechte der Minderheiten durch eine ausdrückliche Verankerung in der Verfassung zu garantieren
  • die angestrebten Rechte durch klar definierte, effektive Mechanismen in die Praxis umzusetzen und zu schützen
  • und die Minderheiten mit ihren kulturellen Reichtümern einschließlich ihrer Sprachen und spezifischen Fähigkeiten anerkennt und diese fördert.

Wir im stabilen und demokratischen Westen müssen der Treibstoff sein, der eine demokratische Zukunft des Syrischen Volkes voranbringt!

Kirchen, Politik und Menschenrechtsorganisationen sind aufgerufen, Solidarität zu zeigen und gemeinsam mit uns für die Durchsetzung unserer Forderungen und Ziele zu kämpfen.

Dann werden auch die Christen in Syrien eine Perspektive für ein Leben nach freiheitlichen und demokratischen Grundsätzen haben und eine Wiedebelebung ihrer Werte erfahren!

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