Review

Holo Malke bi Malkutho

Zunächst einmal möchte ich mit der folgenden Rezension des Films Holo Malke bi Malkutho in keinster Weise den Anspruch erheben, ein Urteil darüber zu fällen, ob dieser Film sehenswert ist oder nicht, sondern ihn viel mehr aus verschiedenen Perspektiven durchleuchten. Denn bei uns ist dieser Medienbereich so gut wie gar nicht vorhanden, so dass wir nicht über viele Vergleichmomente verfügen.

Des Weiteren ist sowohl dieser als auch sein Vorgänger Holo Malke bi Golutho kein reiner Unterhaltungsfilm á la Hollywood, sondern beide gehören zu einem Genre, welches wir für uns noch definieren müssen. Nichtsdestotrotz möchte ich mich daran heranwagen, ihn zu analysieren und folglich auch zu interpretieren. Dabei möchte ich auf die technischen und ideellen Gesichtspunkte, wie auch die schauspielerischen Leistungen, die Handlung und schließlich Message selbst eingehen.

Betrachtet man den Film zu allererst vom technischen Blickwinkel, stoßen unsere Hollywood verwöhnten Gemüter leider auf eine Enttäuschung. Denn die Kamera, Soundeffekte, der Schnitt und ähnliche mit der Technik zusammenhängende Details entsprechen leider noch der Qualität des ersten Films. Somit wirkt er sehr laienhaft. Und teilweise sind die ergänzten Soundeffekte auch überflüssig bis störend. Doch man sollte hierbei im Hinterkopf haben, dass der Macher über kaum oder fast gar kein Budget zur Umsetzung verfügt hatte. Daher hat der Film aufgrund dieser Tatsache eher einen unprofessionellen Eindruck gemacht. Daraus resultierend war das Team um ihn herum wohl auch nicht professionell engagiert, sondern eher auf ehrenamtlicher Basis eingebunden.

Ebenso wirkt die Länge des Films von 170 Minuten trotz der Pause dazwischen sich negativ auf den Gesamteindruck aus. Denn neben der Länge sei anzumerken, dass der Teil vor der Pause einen Art Abschnitt darstellt zum Rest des Films. Während man im ersten Teil sehr viel lacht und es George Farag in der Tat wieder gelungen ist uns mit Ironie und Sarkasmus unsere gesellschaftlichen Defizite vor Augen zu führen, zeugt der zweite Teil von einem sehr ernsten und anders strukturierten Charakter. Doch darauf möchte ich später eingehen.

Zu den Leistungen der Schauspieler sei abermals betont, dass es sich um ehrenamtliche Laien gehandelt hat und diese daher nicht Oscar reif geglänzt haben. Trotz alle dem sind die Figuren des Holo Malkes und Fehmis wieder phänomenal dargestellt. Beide haben ihren jeweiligen Charakter überzeugend und authentisch verkörpert. Alle weiteren Figuren waren eher Nebenrollen, da dieser Film fast ausschließlich auf den Protagonisten Holo Malke bezogen ist. Somit sind die Figuren sehr übersichtlich, wobei aber einige Nebengeschichten ziemlich offen bleiben für den Zuschauer, so dass sich dieser fragt, was eigentlich aus der Sache zwischen Fehmi und Meryem geworden ist oder wie die verdorbene Jugend enden wird. Bei letzterem Punkt hat ein Alternativweg zur dargestellten Misere gefehlt.

Damit verbunden kommen wir auch schon zum nächsten Punkt, nämlich der Handlung. An der Handlung sei im Grunde genommen nur eines im negativen Sinne zu kritisieren, nämlich, dass zuviel erzählt anstatt gezeigt worden ist. Denn die zuviel gesprochenen Dialoge, vor allen Dingen im letzten Abschnitt des Films haben sich dahingehen auf das Publikum ausgewirkt, dass es ermüdet ist. Dies war im Besonderen bei den Szenen vor den verschiedenen Himmelstüren der Fall. Sobald nämlich fast nur noch gesprochen, also der Zuschauer nur hören kann, scheint ein Film nur noch auf intellektueller Ebene greifbar. Und dies wiederum schafft sehr viel Raum für Interpretationen. Wären einige Szenen gespielt worden, wären sie definitiv von jedem verstanden worden, da das gezeigte Bild für sich gesprochen hätte ohne, dass es weiteren Erklärungen bedürft hätte. Dieser Aspekt lässt sich jedoch nicht eindeutig in ein negatives oder positives Fach einordnen.

Es scheint, dass George Farag vermutlich absichtlich mit derartigen Instrumenten gearbeitet hat. Zwar sind Filme, dessen Bilder hohen Symbolcharakter haben problematisch, doch er stellt damit eine Art philosophischen Herausforderung, indem er das Publikum im Besonderen natürlich den in der assyrischen Gesellschaft lebenden Zuschauer dazu bewegen will, über sein Selbstverständnis, Weltbild, Werte, Ideale und religiöse Grundüberzeugung, also sich selbst und im Kollektiv nachzudenken. Er, der Zuschauer, stellt sich die Frage: Wo war ich, wo bin ich, wo will ich ihn? Habe ich es verpasst?

Er hat es gewagt das alte Testament und seine Heiligen kritisch zu betrachten. Noch so viele mögen die Geschichten darin gelesen haben, doch keiner hat sich bisher an das Tabu gewagt, deren Taten zu kritisieren. Viel mehr noch hat Holo Malke die Brücke zu unserer eigenen Geschichte, mit der wir uns nur sehr zaghaft befassen, gezogen. Indem er die Legenden aus dem Alten Testament als geklaut von der assyrischen Geschichte darstellt, stellt er deren Originalität in Frage. Bisher hat es eigentlich niemand innerhalb unserer Gesellschaft gewagt, den Ursprung aller Dinge aus anderen Quellen als aus der Bibel zu ziehen. Dies ist als eine Art Brücke zwischen der Geschichte und der Religion zu werten, da er beides miteinander verknüpft und deren Bezüge unmissverständlich aufzeigen möchte.

Ein anderer sehr gelungener Abschnitt stellt die Reise durch jedes einzelne Dorf im Tur Abdin dar. Zunächst einmal sticht die poetische Vorstellung jeder Ortschaft sofort hervor. Er hat die individuellen Vorzüge und somit den Charakter jedes einzelnen Dorfes aufgezählt, jedoch dabei gezeigt, dass sie gemeinsam eine Einheit sind. Dies ist wohl auf unser Volk allgemein zu übertragen. Eine weitere Message an unsere Gesellschaft stellt wohl der Esel mit dem Namen Kashirto dar. Der Esel an sich symbolisiert Dummheit und Naivität. Indem er zusätzlich einen weißen Esel gewählt hat, scheint der Regisseur ebenso die Reinheit und Hoffnung darstellen zu wollen. Indem er dem Esel auf seiner Reise ins Paradies an jeder Himmelstür-Etappe einen weiteren Teil seiner Vergangenheit, unserer Geschichte und Religion erzählt, scheint er Kashirto aufklären zu wollen. Es mag vielleicht über- oder misinterpretiert klingen, doch der Esel stellt wohl mit seinen aufgezählten Charakterzügen unser Volk dar, welches Holo Malke eben versucht aufzuklären

In der Art und Weise wie Holo Malke an jedem Himmelstor auf einen anderen Heiligen trifft, und er dessen Taten kritisiert, mag manch ein Zuschauer behaupten wollen, dass Holo Malke zu Recht der Zugang li Malkutho (Paradies) verwehrt geblieben ist. Obendrein mag man ihm wohl auch den Vorwurf machen, dass er ungläubig sei, da er es wage sie zu verurteilen. Doch allein schon die Tatsache, dass er sich als Lebensziel das Erreichen des Paradieses gesetzt hat, zeugt von seinem überaus ausgeprägten Glauben. Darüber hinaus spricht die Tatsache, dass er es an jeder Himmelstür wieder und immer wieder versucht, dass er Respekt vor den Heiligen der Kirche und vor allen Dingen Gott hat. Somit ist ein derartiges Argument definitiv von der Hand zu weisen. Ein weiterer faszinierender Punkt ist, dass er die Heiligen mit all ihren Sünden aufzählt und nicht, wie wir es sonst von unserer Kirche und Gesellschaft seit jäh her gewohnt sind, glorifiziert. Hierbei zeigt er aber, dass sie trotz ihrer Sünden im Paradies bzw. Himmel gelandet sind. Dies heißt wiederum, dass jeder eine Chance hat ins Paradies, li Malkutho zu kommen.

Dennoch möchte ich nochmals auf die Vergleiche zwischen Religion und Geschichte zurückkommen. Es gibt kaum jemanden unter uns, der nicht die Schöpfungsgeschichte gemäß der Bibel, die Sage um die Arche Noah und ähnlichen biblischen Erzählungen kennt. Doch wer kennt wirklich die Geschichte von Gilgamesch? Das älteste bekannte Epos der Menschheit. Wie viele haben sich mit dessen Sinn befasst? Was hat es auf sich, dass Holo Malke behauptet König Sargon hätte zweitausend Jahre vorher von einem unserer Bibelväter eine Idee geklaut? Das schwierige für den Zuschauer ist hierbei, dass er Hintergrundwissen mitbringen muss, um bestimmte Stellen und deren Sinn auch nachvollziehen zu können. Dies ist wohl als Herausforderung zu verstehen. Er schneidet Gegebenheiten aus unserer alten Geschichte an, bricht das Tabu sie mit der Kirche zu verbinden und wagt es dann auch noch sie als Ursprung unserer heiligen Schrift darzustellen.

Trotz der eingangs erwähnter negativer Aspekte, erhebt dieser Film einen ungeheuren Anspruch an das Publikum. Es wird unbewusst zum Grübeln animiert, da nicht alles konkret gesagt wird, sondern vielmehr mit Anspielungen gearbeitet wird. So, dass vieles offen, also ungesagt bleibt und es folglich kein Happy End gibt. Aber es gibt anders herum auch kein trauriges Ende, sondern viel mehr ein nachdenklich tiefgründiger Schnitt als Abschluss. Ferner ist dieser Film trotz der Anknüpfung an die Rahmengeschichte des ersten Films anhand der Figuren, wie beispielsweise Fehmi, ein völlig anderer als Holo Malke bi Golutho. Er geht vom unterhaltenden Charakter mehr schon zum philosophischen über. Somit ist es meiner Ansicht nach George Farag alias Holo Malke in der Tat gelungen dem so genannten One-Hit-Wonder oder in diesem Fall eben One-Film-Wonder Dilemma zu entkommen. Er hat sogar seinen ersten Film getopt indem er nicht mit Unterhaltung das Publikum an sich zieht, sondern durch Nachdenken.

Abschließend möchte ich denjenigen, die den Film leider noch nicht sehen und sich somit selbst ein Bild davon machen konnten, quasi den Tip geben, mit der Erwartung an ein gewöhnliches Low-Budget-Movie hineinzugehen, so dass die Technik und die mit der Ökonomie zusammenhängenden Punkte, die eigentliche Message und Pointe des Films nicht trüben. Außerdem sollte man sich nicht zu sehr an den ersten Film der 90er Jahre und dessen übermäßig unterhaltende Umsetzung klammern, sondern eher Freiraum für andere Perspektiven geben. Ich denke, dass sich George Farag im Vorab unbewusst durch den unerwarteten Erfolg und des Kults rund um die Figur Holo Malke selbst eine hohe Vorgabe bezüglich des Outputs des aktuellen Films gegeben hat. Hierbei bezeichne ich ihn bewusst nicht als zweiten Teil bzw. Nachfolger seines ersten Films. Denn wer hätte erwartet, dass der Film damals quer durch alle Generationen, Gruppen u.ä. dermaßen einschlagen würde. Holo Malke, der den assyrischen Durchschnittsmigranten aus Tur Abdin darstellt, hat sich zu einer regelrechten Kultfigur entwickelt. Allein die Erwähnung seines Namens löst bei jedem von uns schon ein komplettes Bild von einem Mann, der alle Klischees rund um unsere Gesellschaft erfüllt, aus.

Ich hoffe doch den Film von einem differenzierten Blickwinkel betrachtet zu haben. Mag sein, dass einiges in eine völlig falsche Richtung interpretiert worden ist, doch dies ist entweder über eine Diskussion hier zu erforschen oder aber direkt über ein Gespräch mit dem Regisseur selbst.

Nicme Seven

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