„Ich wollte, dass der Film perfekt wird!“

Interview mit Riad Asmar über den Film Akitu

Nervosität? Kein bisschen! Ein Späßchen hier, ein frecher Spruch da – Riad Asmar fühlt sich sichtlich wohl in Augsburg. Ein wenig ärgert er sich schon darüber, dass das mit der Blu-Ray Disk nicht klappt und stattdessen „nur“ die DVD gezeigt werden kann. Er ist ein Perfektionist durch und durch.

Bethnahrin.de: Riad, du bist einer der wenigen assyrischen Regisseure. Was macht Kino so besonders?

Riad Asmar: Filme sind für jeden da. Sie informieren, lassen nachdenken, wecken Emotionen – viel stärker als andere Medien. Ich denke, wir müssen lernen uns auch diesem Medium anzunähern, und zwar auf professionelle Art und Weise. Wenn wir etwas künstlerisch Wertvolles erschaffen, wecken wir auch bei anderen das Interesse sich mit uns zu beschäftigen. Nur so können wir der Welt zeigen, dass wir noch existieren. Das war auch mein Anspruch an den Film.

Bethnahrin.de: Ein internationaler Film also?

Riad Asmar: Ja, unbedingt! Das ist kein Film, der nur für uns selbst gedacht ist und nur uns unsere Probleme spiegelt. Wir müssen von diesem Denken wegkommen. Der Film zeigt die assyrische und die europäische Kultur und was passiert, wenn beide Welten aufeinanderprallen. Und er zeigt, dass die Probleme und Sorgen oftmals gar nicht so unterschiedlich sind. Und das ist für beide Seiten wichtig zu wissen. Wir müssen uns gegenseitig besser kennenlernen und verstehen.

Bethnahrin.de: Du hast knapp fünf Jahre Zeit und Mühe investiert, um diesen Film fertigzustellen…

Riad Asmar: Ja, denn das ist mein erster Film als Drehbuchautor und Regisseur – und ich wollte, dass er perfekt wird! Ich habe ziemlich lange Zeit an dem Drehbuch gefeilt, es umgeschrieben, noch einmal daran herumgeschraubt. Es war mir wichtig, dass der Film der Bedeutung von Akitu/Ha Nison in unserer Kultur gerecht wird. Der Dreh an sich hat nur 1,5 Monate gedauert, Schnitt und der Musik wiederum haben knapp 1,5 Jahre Zeit beansprucht.

Bethnahrin.de: Was symbolisiert Akitu/Ha Nison in dem Film?

Riad Asmar: Ha Nison ist das Neujahrsfest, das wir seit 6764 Jahren feiern, und ist damit eines der wichtigsten Feiertage. Seit dieser Zeit haben wir unsere Kultur weiterentwickelt, weitergetragen und weitergelebt. Der Film greift das Thema Akitu auf und stellt die Frage auf, wie es nun weitergeht mit dieser Kultur, mit den Idealen, den Moralvorstellungen, den Sitten und Bräuchen. Wir tragen sie noch in uns, aber wissen oft nicht damit umzugehen, gerade in der Diaspora.  Die Figuren im Film sind hin- und hergerissen.

Bethnahrin.de: Der Film ist in unserem Kulturkreis noch ein sehr junges Genre. Gab es Schwierigkeiten beim Dreh?

Riad Asmar: Tatsächlich hatten wir große Probleme Schauspieler zu finden. Vor allem mit den Ehemännern der angefragten Schauspielerinnen (lacht). Leider nehmen viele diese Kunst nicht ernst, und deswegen wollen sie auch keine Zeit darin investieren. Dabei wären wir um so viel reicher, wenn wir neben Ärzten, Architekten und Rechtsanwälten auch mehr Künstler unter uns hätten!

Bethnahrin.de: In dem Film gibt es keinen einzigen Kuss – hattest du Hemmungen derartige Dinge zu zeigen?

Riad Asmar: Nein, überhaupt nicht. Kunst darf keine Grenzen haben, und ich setze mir selbst auch keine Grenzen. Es hätte aber einfach nicht zur Geschichte beigetragen. Es ging mir darum zu zeigen, welche Probleme die Assyrer derzeit haben. Ist es da wichtig, einen Kuss zu zeigen?

Filmausstrahlung

09.11.2014 | Augsburg

Akitu

26 Bilder
AkituAkituAkituAkituAkitu

Bethnahrin.de: Du hast in dem Film „Akitu“ viele Fragen offen gelassen. Wie geht es weiter mit Daniel, Britta, Ilona und den anderen?

Riad Asmar: Ich wollte, dass die Zuschauer die Entwicklung der Figuren sehen, nicht die Lösung auf dem Tablett serviert bekommen. Betrachten wir Daniel: Zu Beginn ist er egoistisch, oberflächlich und nichtsnutzig. Doch im Laufe des Films vollzieht sich eine Veränderung: Er versteht seine Familie, akzeptiert sie mit all ihren Fehlern – und sorgt sich schließlich auch um andere als nur um sich selbst.

Wie es mit ihm und den anderen weitergeht, entscheidet jeder Zuschauer selbst. Die Aufgabe des Kinos ist nicht, Fragen zu beantworten – das wäre langweilig. Der Film möchte Fragen aufwerfen und dazu auffordern nachzudenken. Wie gehen wir weiterhin mit unserer Kultur um? Wie gehen wir mit Fehlern unserer Mitmenschen um? Wie mit Krankheit? Diese Fragen kann nicht das Kino beantworten, das muss jeder für sich klären.

Bethnahrin.de: Welche Entwicklung wünschst du dir für die nächsten Generationen?

Riad Asmar: Ich finde es sehr wichtig, beide Kulturen zu verstehen und in beiden auch zu leben. Ich denke wir haben in dieser Hinsicht sehr viel erreicht. Wenn ich mich so umsehe, gibt es hier viele junge Menschen, die hier zur Schule gehen, studieren, arbeiten und leben, aber dennoch ihre Wurzeln nicht vergessen. Aber ich denke auch, dass das von Generation zu Generationen schwieriger wird. Jeder muss sich die Frage stellen, die Britta Daniel gestellt hat: „Qay kibcat mitle?“ (Willst du denn, dass sie[=deine Kultur, anm. d. R.] völlig verloren geht?).

Bethnahrin.de: Welche Filmprojekte möchtest du demnächst angehen?

Riad Asmar: Es gibt viele Geschichten und Dinge, die ich noch filmisch darstellen möchte. Wir sind so reich an mündlicher Tradition – wir müssen nur wieder lernen besser zuzuhören. An meinem nächsten Projekt arbeite ich bereits: Tibel erzählt vom Leben einer Frau und ihrer Familie in den 1970er Jahren in der Heimat. Ich möchte den Alltag und die Probleme des Alltags dieser Familie darstellen. Ihr dürft gespannt sein!

Über Riad Asmar

1974 geboren in Syrien
2002 Emigration nach Belgien und Studium der Medien- und Kommunikationswissenschaften mit Schwerpunkt Filmtheater in Louvain-la-Neuve.

Filmographie

2001 Theater „Assyrian TV“, 65min (Syrien)
2006-2008 Videoclips diverser Sänger (Belgien)
2010-2012 Werbeclips, Konzertaufnahmen (Belgien)
2013 Drehbuchautor und Regisseur des Films „Akitu“,95 min (Belgien)

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