Die „Knechte Gottes“ bleiben standhaft

Das Kloster Mor Gabriel – Symbol der bedrohten Christenheit in der Türkei

Die aktuellen Vorgänge an der türkisch-syrischen Grenze und die Gräueltaten des „Islamischen Staates“ rücken eine bedrohte Minderheit ins Rampenlicht, die leicht übersehen wird: Die syrisch-orthodoxen Christen im Südosten der Türkei.

Eine Delegation der IGFM hat diese kürzlich besucht. In der „Tur Abdin“ („Berg der Knechte Gottes“) genannten Region unweit der syrischen und irakischen Grenze leben noch etwa 3.000 Christen. Ursprünglich waren es in diesem christlichen Stammland natürlich viel mehr. Ein Großteil fiel bereits dem Völkermord an den Armeniern und Assyrer/Aramäern 1915 im damaligen Osmanischen Reich zum Opfer. Ein weiterer Exodus fand in den 1980er und 1990er Jahren statt, als die Christen entweder gezielt vertrieben wurden oder aber zwischen die Fronten der gewaltsamen Auseinandersetzungen von Türken und Kurden gerieten. Viele Christen fanden damals den Weg nach Europa und auch nach Deutschland. In den letzten zehn Jahren sind einige wieder zurückgekehrt.

Begegnung mit dem Erzbischof des Tur Abdin und Abt des Klosters Mor Gabriel. Von links nach rechts: Benjamin Lassiwe, Journalist; Kuryakos Ergun, Vorsitzender der Kloster-Stiftung; Walter Flick, IGFM; Sabri Alkan; Volkmar Klein, MdB; Erzbischof Timotheos Samuel Aktas; Edgar Lamm, Vorsitzender der IGFM, Erzdiakon Isa Gülten

Begegnung mit dem Erzbischof des Tur Abdin und Abt des Klosters Mor Gabriel. Von links nach rechts: Benjamin Lassiwe, Journalist; Kuryakos Ergun, Vorsitzender der Kloster-Stiftung; Walter Flick, IGFM; Sabri Alkan; Volkmar Klein, MdB; Erzbischof Timotheos Samuel Aktas; Edgar Lamm, Vorsitzender der IGFM, Erzdiakon Isa Gülten

Die Christen im Tur Abdin sprechen noch aramäisch – die Sprache Jesu. Das Erlernen dieser alten Sprache ist in der Türkei aber offiziell verboten. Ein Beispiel für die nur auf dem Papier stehende Religionsfreiheit. In den Klöstern wird die Sprache dennoch lebendig gehalten.

Einige dieser Klöster haben wir besucht. Sie gehören zu den ältesten der Menschheit und wurden um 400 n. Chr. gegründet. Geistiges Zentrum der Christen ist zweifellos das Kloster Mor Gabriel in der Nähe der Stadt Midyat. Es ist zugleich Sitz des Erzbischofs Timotheos Samuel Aktas. Er sparte bei unserer Begegnung nicht mit deutlichen Worten:

„Man will uns offenbar vertreiben. Oder aber man will uns nur noch als Museum.“

Hintergrund sind die seit Jahren andauernden Gerichtsverfahren, mit denen das Kloster überzogen wird. Dabei geht es um Grundstücksstreitigkeiten. Das Kloster wurde sogar teilweise enteignet. Später wurden einige – aber nicht alle – der willkürlich enteigneten Parzellen zurückgegeben, was der Erzbischof nicht zuletzt dem Einsatz von Angela Merkel zuschreibt. Sie hatte bei ihrem Besuch in Ankara demonstrativ darauf bestanden, auch mit dem Erzbischof zu sprechen.

Die Bundeskanzlerin wurde in vielen unserer Gespräche lobend und dankbar erwähnt ebenso wie Fraktionsvorsitzender Volker Kauder und der deutsche Botschafter. Die Christen sind auf internationale Unterstützung angewiesen. Ein Streitpunkt ist immer wieder der islamische Religionsunterricht an den Schulen. Auch christliche Schüler müssen daran teilnehmen. Im Wege der Einzelabsprache mit dem Lehrer gelingt bisweilen eine Befreiung. Die Nichtteilnahme führt aber zu einer schlechteren Note, was zur Folge hat, dass einige Schüler kurz vor dem Abitur wieder daran teilnehmen.

Tuerkischer-Personalausweis

Türkischer Personalausweis mit der Religionszugehörigkeit „Hristiyan“ (Christ)

Zur mehr oder weniger verdeckten Benachteiligung der Christen im Alltag führt auch die Angabe der Religionszugehörigkeit im Personalausweis (siehe Foto), was bei uns schon aus datenschutzrechtlichen Gründen unmöglich wäre.

Die Begegnung mit den tapferen, sich aufopfernden Christen im Südosten der Türkei ist berührend und eindrucksvoll. Sie müssen kämpfen. Es geht ihnen nicht so gut wie manchen bequemen Christen hierzulande. Sie sind existenziell bedroht und haben Unterstützung verdient. Sie tragen dazu bei, dass das Christentum in seiner Ursprungsregion erhalten bleibt.

Von Edgar Lamm

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