Sait Demir von der Handwerkskammer Schwaben kennt die Situation, dass viele Migranten erst einmal Respekt vor der Behörde haben und deshalb auch vor einer Beratung zurückschrecken. „Viele haben Hemmungen wegen der Sprache. Sie kennen die Fremdwörter in den offiziellen Informationsbroschüren nicht und können dann auch nicht so einfach sagen, wo ihr Problem liegt“, erzählt der gebürtige Assyrer. Er arbeitet seit mehreren Jahren bei der Kammer in Augsburg und sorgt hier in vielen Fällen für einen erfolgreichen Erstkontakt zwischen den Fragestellern mit Migrationshintergrund und den Fachleuten im eigenen Haus.
Sein eigenes Fachgebiet ist die interkulturelle Laufbahnberatung und die Vermittlung zwischen Betrieben und Arbeitssuchenden oder Auszubildenden. Hierbei kümmert er sich vor allem um die sogenannten Bleiberechtsflüchtlinge, also um die Personen, die langfristig in Deutschland bleiben dürfen und deshalb auch eine langfristige berufliche Perspektive suchen.
Integration ist „dringlicher denn je“
Und genau diese möchte auch die Bundesregierung besser in den deutschen Arbeitsmarkt einbinden. Mit dem neuen Nationalen Integrationsplan hat sie Initiativen und Maßnahmen festgelegt, um dieses Ziel zu erreichen. Eine bessere Integration sei „dringlicher denn je“, mahnte die Bundeskanzlerin mit Blick auf die demografische Entwicklung und den Wirtschaftsstandort Deutschland. Bei der Vorstellung des Aktionsplans rief sie dazu auf, dass sich mehr Migranten für Stellen im öffentlichen Dienst bewerben sollen. Von „interkultureller Öffnung“ der Verwaltung ist im Aktionsplan selbst die Rede.
Aber auch im Handwerk spielt die Integration von ausländischen Mitbürgern eine immer größere Rolle. Der demografische Wandel verschärft den Fachkräftemangel und immer mehr Betriebe finden keinen qualifizierten Nachwuchs mehr. Im vergangenen Ausbildungsjahr konnten rund 20.000 Lehrstellen nicht besetzt werden.
Sprachbarrieren verhindern Integration
Eine große Hürde stellt nach Angaben des Berichts auch heute noch die Sprache dar. Mangelnde Sprachkenntnisse verhindern sowohl die Integration in den Arbeitsmarkt als auch in das normale gesellschaftliche Miteinander. Dementsprechend müssten mehr Anstrengungen darauf verwendet werden, sprachliche und damit gleichzeitig fachliche Qualifikationen zu fördern.
Eine dazu passende Initiative, die im Aktionsplan vorgestellt wird, ist das „ESF-BAMF-Programm zur berufsbezogenen Sprachförderung“. Dieses Programm soll bis Ende 2013 die Quote derjenigen ausländischen Teilnehmer, die an einem berufsbezogenen Sprachkurs teilnehmen und danach entweder eine Arbeitsstelle, eine Ausbildung oder eine allgemeine Weiterbildung beginnen können, um 20 Prozent erhöhen. So soll die Sprache als Brücke in den Job und als Brücke für die gesellschaftliche Integration dienen.
Das sieht auch Said Demir so. Er stellt immer wieder fest, dass allein sein türkischer Name und die leichtere Verständigung zu Beginn des Kontakt die Hürden für viele Migranten senkt, sich an die Handwerkskammer zu wenden. „Es ist wichtig erst einmal eine Vertrauensbasis aufzubauen“, sagt Demir.
Seiner Meinung nach müssen sich Beratungsstellen grundsätzlich umstellen, um stärker an der Integration mitwirken zu können. „Man braucht eben mehr Zeit und mehr Fingerspitzengefühl, wenn man zwischen zwei verschiedenen Kulturen vermitteln wolle“, berichtet der Kammermitarbeiter aus eigener Erfahrung. Beratung müsse persönlich sein und dürfe nicht nur aus dem Weitergeben von Infobroschüren bestehen. Aber das Wichtigste sei, dass die Beratung keine Klischees oder Vorurteile bediene. „Alle Kulturen ticken anders.“
Und für dieses „Anderssein“ fehlt immer noch oft das Verständnis. Statt Anpassung zu fordern, bedeutet Integration vielmehr ein Aufeinander zugehen. Dann fällt es denjenigen, die fremd sind – und in Deutschland leben immerhin 15,7 Millionen Menschen mit ausländischen Wurzeln – auch leichter, Hilfe anzunehmen. „Gegenseitige Sympathie ist eine wichtige Voraussetzung, dass eine angebotene Unterstützung auch Erfolg hat“, sagt Demir.
„Neue Willkommenskultur“ gefordert
Ähnlich hat es auch die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung bei der Vorstellung des Berichts formuliert. Der Aktionsplan verstehe sich als Teil einer „neuen Willkommenskultur“, sagte Staatsministerin Maria Böhmer. Doch bis diese erreicht ist, gibt es noch viel zu tun.
Im Bereich „Arbeitsmarkt und Erwerbsleben“ hat die Bundesregierung deshalb folgende strategische Ziele festgelegt:
- Beschäftigungs- und Erwerbschancen sowie Qualifizierung erhöhen
- Interkulturelle und migrationsspezifische Qualifizierung des Beratungspersonals sicherstellen
- Betriebliche Integration verbessern
- Fachkräftebasis sichern
Klingt gut und könnte Deutschland besser auf die Zeiten vorbereiten, in denen der Fachkräftemangel akuter wird. Klingt gleichzeitig aber auch ziemlich unkonkret und so lautet auch die Kritik, die der Aktionsplan bereits von vielen Seiten abbekommen hat. So hält etwa der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, die Ergebnisse des Integrationsgipfels für dürftig. Die Treffen im Kanzleramt seien „mehr und mehr zu Showveranstaltungen geworden“, sagte Kolat der „Passauer Neuen Presse“.
Um eine bessere Willkommenskultur zu erreichen, forderte er endlich die Möglichkeit einer doppelten Staatsangehörigkeit einzuführen: „Ein Doppelpass wäre ein deutlich stärkeres Zeichen für Integration als jede einzelne dieser gut gemeinten Maßnahmen in den Aktionsplänen der Bundesregierung.“
Aktionsplan zu allgemein?
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Renate Künast, kritisierte den Integrationsgipfel als wirkungslos. Der Gipfel habe im Wesentlichen „allgemeine Absichtserklärungen“ gebracht, sagte Künast der Nachrichtenagentur dapd in Berlin. So gingen türkische Fachkräfte lieber in ihre Heimat zurück, weil sie dort bessere Möglichkeiten hätten und sich dort willkommen fühlten.
Die Bundeskanzlerin hatte den Gipfel zu einem ihren persönlichen Anliegen erklärt. Unter ihrem Vorsitz tagte der Integrationsgipfel bereits zum fünften Mal seit 2006. Sie selbst ist erfreut über den bisherigen Erfolg der Integrationsmaßnahmen in Deutschland, sieht aber auch noch Nachbesserungsbedarf: Es sei nun notwendig, verbindlichere Zielsetzungen bei der Integration zu formulieren. Der Aktionsplan verstehe sich daher als „die nächste Stufe, die Zielsetzung messbar zu machen“. Überdies müsse man von den Modellprogrammen schrittweise zu dauerhaften Angeboten für eine verbesserte Integration kommen, sagte Merkel.
Der nächste Gipfel soll im ersten Halbjahr 2013 stattfinden und sich unter anderem dem Thema Sprache widmen. „Es lohnt sich weiterzumachen“, bilanzierte Merkel.
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