Enteignung, Verfolgung und Vertreibungen haben diese Christen nur noch stärker zusammen geschweisst. Das Interview stimmt nachdenklich. Es macht aber auch froh, weil Glaube, Hoffnung und Liebe alles andere über leben werden. Die Redaktion mit einer assyrischen «Seconda» in der Schweiz.
Frau Jakob, woran denken Sie beim Wort «Mesopotamien»?
Elena Jakob: Dabei denke ich an ein entferntes Land, wo nach Überlieferung einst die Wiege der Zivilisation gelegen ist. Bibelkundigen dürfte das Land im Zusammenhang mit dem Turm von Babel und den Hängenden Gärten der Semiramis bekannt sein.
Kürzlich hat das Schweizer Fernsehen ein Porträt über Sie gebracht
In diesem kurzen Bericht wurde gezeigt, dass syrisch-orthodoxe Christen auch in der Schweiz zu Hause sind und ein kulturelles Zentrum besitzen. Dieses bildet einen Treffpunkt für Jung und Alt und ist eine Anlauf und Informationsstelle für die einheimische Bevölkerung. Trotz allem stehe ich allgemein der Institution «Kirche» nicht unkritisch gegenüber. Gewisse veraltete Einstellungen funktionieren nicht mehr,wenn die Kirche die junge Bevölkerung gewinnen möchte.
Sie engagieren sich beruflich und politisch. Was ist Ihre Motivation?
Als Migrantenkind wächst man mehrsprachig in zwei Kulturen auf. Das erfolgreiche Verbinden der beiden Kulturen war für mich in jungen Jahren eine grosse Herausforderung. Heute bin ich froh, dass meine Identität von beiden Kulturen positiv geprägt wurde. Ich möchte an der aktiven Gestaltung meines Lebenskontextes teilhaben. Der Abbau gegenseitiger Vorurteile stellt eine Herausforderung dar.
Wie würden Sie das heutige Mesopotamien charakterisieren? Wie lebt es sich dort (als Christ)?
Ich habe persönlich nie in Mesopotamien gelebt. Ich kenne es von den Ferien her und aus Überlieferungen von Eltern und Verwandten. Es ist bekannt, dass schwierige politische Umstände und gemeinsam erlittene Schicksalsschläge eine Nation stärker zusammenschweissen. So kann z. B. der Glaube ein christliches Volk in einem islamischen Land zusammenhalten und als Bindeglied funk-tionieren. Mesopotamien ist ein sehr schönes und fruchtbares Land. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde es auf die islamischen Länder Irak, Iran, Syrien und Türkei aufgeteilt. Bis heute ist Aramäisch in weiten Teilen des Irans und der Türkei verboten. Tragisch ist die Situation der syrisch-orthodoxen Christen im Irak. Ihre Kirchen werden verwüstet, ihre Mädchen und Frauen entführt. Die Christen leben dort täglich in Angst um Leib und Leben. Schwierige politische Umständeund Schicksalsschläge schweissen eine Nation zusammen.
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