Iman Dawood Yousif flieht mit zwei Kindern aus dem Irak

Christin ohne Heimat – Mann und ein Sohn bleiben zurück

Unterwittelsbach – Iman Dawood Yousif ist eine tapfere Frau. Mit ruhigen Worten erzählt sie in gebrochenem Englisch ihre tragische Geschichte, die selbst bei Rosy Lutz als überaus erfahrener Betreuerin von Asylbewerbern für Gänsehaut sorgt. Tränen gibt es erst am Schluss auf die Frage nach den Wünschen für die Zukunft.

Die sind schnell auf einen Nenner gebracht und eigentlich eine Selbstverständlichkeit: Iman wünscht sich eine friedliche Zukunft für sich und ihre Familie. Die ist derzeit auseinandergerissen. Zwei ihrer drei Kinder konnte die so freundliche 44-Jährige auf der Flucht aus dem Irak mitnehmen, ihren ältesten Sohn und den Ehemann musste sie zurücklassen. Iman Dawood Yousif floh, weil sie Christin ist. Ein Glaube, der im heutigen Irak nicht nur unerwünscht ist, sondern das Leben kosten kann.

Dabei ist der Irak eigentlich ein Land der Bibel. Zwischen Euphrat und Tigris lassen sich insbesondere Teile des Alten Testaments lokalisieren. Vor der Eroberung durch den Islam im siebten Jahrhundert und auch noch viel später bildeten Christen die Mehrheitsbevölkerung. Mittlerweile ist das längst anders. Während es selbst unter Diktator Saddam Hussein noch christliche Minister gab, ist der Begriff Religionsfreiheit inzwischen gänzlich zum Fremdwort geworden. Allein in den vergangenen Jahren flohen fast zwei Millionen Christen. Der erzwungene Exodus hat sie zu einer verschwindend kleinen Minderheit werden lassen – und die leidet unter den Kämpfen zwischen Schiiten und Sunniten sowie islamistischem Terror.

„Ich will ein gutes, friedliches Leben für meine Familie“: Iman Dawood Yousif und ihre Tochter Doren. Die 44-jährige Irakerin ist Christin und wurde deshalb im Irak verfolgt und bedroht. Für sie und zwei ihrer drei Kinder konnte die Flucht über eine Schlepperbande finanziert werden, für ihren ältesten Sohn und den Ehemann reichte das Geld nicht. Ihr Mann war Bankdirektor, im heutigen Irak sind solche Berufe für Christen tabu.

Iman ging nur noch mit dem Schleier auf die Straßen von Mosul, der drittgrößten Stadt des Iraks. Nur nicht als Christin erkannt werden, lautete das Motto. Mit einem Lächeln auf den Lippen versucht die 44-Jährige den Besuchern die Herkunft ihre Nachnamens zu vermitteln. Dawood heißt übersetzt David, Yousif Josef. Klar: Da half bei der Arbeitssuche auch kein Schleier. Ihr Mann war Bankdirektor, stand plötzlich auf der Straße. Die darauf folgende Beschäftigung als Lehrer hatte auch keine Zukunft. Wer sie überfiel, als sie mit ihrer Tochter schwanger war, weiß Iman nicht. Fest steht, dass der jungen Frau mit einem Messer schwere Verletzungen in der Bauchgegend zugefügt wurden. Mutter und Baby überlebten den Angriff wie durch ein Wunder. Iman hat aber auch Menschen sterben sehen. Christen, die am Weihnachtsabend in ihre Kirchen gingen und bei einem Bombenanschlag auf das Gotteshaus getötet wurden.

Alltag im Irak. In einem Land, in dem Christen unter totaler Kontrolle stehen und Familien bedroht werden, die ihre Sprösslinge gemeinsam mit muslimischen Kindern zur Schule schicken wollen, brachte nur noch die Flucht aufs Land ein kleines Stück Sicherheit. In einem christlich geprägten Dorf fand die Familie Unterschlupf auf engstem Raum. Dort wurde dann auch Geld gesammelt, um Iman die Flucht zu ermöglichen. Der eigene Besitz wurde verkauft, Freunde steuerten ihre letzten Ersparnisse bei.

Eine Schlepperbande kassierte 18 000 Euro für die Flucht

Eine Flucht ist teuer. Weil die Not der Menschen von Schlepperbanden schamlos ausgenutzt wird. Eine weitere schreckliche Fratze von Kriegen. Iman hat ihren mit 19 Jahren ältesten Sohn und ihren Ehemann nicht freiwillig zurückgelassen. Das Geld reichte schlicht nicht. Satte 18 000 Euro wurden ihnen abgenommen. Eine für irakische Verhältnisse astronomische Summe. 6000 Euro pro Kopf. So machten sich Iman, der 15-jährige Daviel und seine achtjährige Schwester Doren auf den Weg. Zunächst in Bussen, später in einem Van. In der Türkei wurden die großen Flüchtlingsgruppen, zu denen auch Menschen aus Afghanistan und Syrien gehörten, in kleinere Einheiten aufgeteilt. Neun Tage waren Iman und ihre Kinder unterwegs, ehe sie im deutschen Auffanglager in Zirndorf ankamen. Gefahren wurde in der Nacht, tagsüber wurden die Flüchtlinge in abgelegenen Räumlichkeiten eingesperrt. Nachfragen waren nicht erlaubt. Man hatte den Mund zu halten.

Nun sind Mutter, Tochter und Sohn im Flüchtlingsheim in Unterwittelsbach untergebracht. Die Kinder gehen zur Schule in Aichach, Tochter Doren hat dort trotz Sprachbarriere auch schon eine Freundin gefunden. Das Mädchen ist wissbegierig und blättert stetig im bebilderten Wörterbuch Arabisch- Deutsch. Das Zimmer ist fein säuberlich aufgeräumt, in der Gemeinschaftsküche gibt es Tee – und Kuchen. Rosy Lutz hat zwar selbst gemachte Weihnachtsplätzchen mitgebracht, doch Iman hat gebacken. Sie ist zurückhaltend, überaus dankbar und will den Besuchern etwas zurückgeben. „Das geht schon nah“, räumen Rosy Lutz und ihre beiden Kolleginnen Antonia Karg und Elisabeth Müller von der Caritas ein. Sie haben zwar täglich mit den Schicksalen der Flüchtlingsfamilien zu tun, „wenn man sie dann aber mal wieder im Detail hört, macht es einen doch betroffen“, so Rosy Lutz. Sie wird von den Frauen in der Unterkunft umarmt. Die einen präsentieren stolz ihre ersten Deutschkenntnisse, die anderen geben Wünsche weiter.

Viele hat Iman momentan nicht. Sie will mal wieder an einem Gottesdienst in der katholischen Kirche teilnehmen. Ihr gehe es gut in Deutschland, erzählt sie mit bewegender Dankbarkeit. Leid tut ihr Tochter Doren. Das Mädchen fragt jeden Abend, wo denn der Papa sei und wann er endlich komme. Die Frage kann Iman Dawood Yousif nicht beantworten. Ab und an gelingt es ihr, mit ihrem Mann und dem ältesten Sohn zu telefonieren. Ob sie überhaupt einmal nachkommen können, das lässt sich nicht vorhersagen.

Geld zu einer Flucht ist nicht vorhanden, in der Heimat ohne Zukunft leben Christen weiter gefährlich. Das weiß auch Iman. Sie hat zwar einen Teil ihrer Familie gerettet, muss dafür aber möglicherweise einen hohen Preis bezahlen. „Meine Familie ist zerstört“, kommt es leise über ihre Lippen. Jetzt kann die starke Frau ihre Tränen nicht mehr zurückhalten.

Robert Edler

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Quelle: Bürgerstiftung Aichach

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