Erbil, Irak (AP) – Das älteste christliche Kloster im Irak wurde in ein Feld aus Schutt verwandelt, noch ein weiteres Opfer der gnadenlosen Zerstörung historischer Kulturstätten.
1.400 Jahre lang überlebte die Anlage die Natur und den Menschen, stand als ein Platz für Gottesdienste, unlängst auch für U.S.-Truppen. In früheren Jahrhunderten steckten Mönche Kerzen in die Nischen und beteten in der kalten Kapelle. Die griechischen Buchstaben Chi und Rho, die die ersten beiden Buchstaben des Namens Christi bedeuten, waren nahe am Eingang eingraviert.
Jetzt bestätigen neue Satelliten-Fotos, die exklusiv von der Associated Press erhalten wurden, die schlimmsten Befürchtungen der Kirche. Das Kloster St. Elias von Mosul wurde komplett ausgelöscht.
In seinem Exil-Büro in Erbil, Irak, starrte Rev. Paul Thabit Habib (39) still auf die Voher und Nachher-Bilder des Klosters, das einmal auf einem Berghang oberhalb seiner Heimatstadt Mosul saß. Zitternd blätterte er zum Vergleich zu seinen eigenen Fotos zurück.
“Ich kann meine Trauer nicht beschreiben”, sagte er auf Arabisch. „Unsere christliche Geschichte in Mosul wurde auf barbarische Weise dem Erdboden gleichgemacht. Wir sehen, es ist ein Versuch, uns aus dem Irak zu vertreiben, indem man unsere Existenz in diesem Land eliminiert und beendet.“
Die Gruppe Islamischer Staat, die aus al-Qaida hervorbrach und jetzt große Teile des Irak und Syriens kontrolliert, hat Tausende von Zivilisten getötet und Hunderttausende von Christen zur Flucht gezwungen, indem sie eine Religion bedrohen, die 2.000 Jahre in dieser Region überstanden hat. Auf ihrem Weg haben ihre Kämpfer historische Gebäude und Ruinen sowie kulturell bedeutsame Strukturen zerstört, die sie als gegensätzlich zu ihrer Interpretation des Islam betrachten.
Diejenigen, die das Kloster kannten, waren verwundert über sein Schicksal, nachdem die Extremisten es im Juni 2014 überrannten und weithin die Kommunikationswege in dieses Gebiet abschnitten.
Jetzt ist das Kloster Elias einer wachsenden Liste von mehr als 100 demolierten religösen und historischen Stätten beigetreten, inklusive Moscheen, Gräbern, Schreinen und Kirchen in Syrien und im Irak. Die Extremisten haben antike Denkmäler in Ninive, Palmyra und Hatra verunstaltet oder ruiniert. Museen und Bibliotheken wurden geplündert, Bücher verbrannt, Kunstwerke vernichtet – oder mit ihnen gehandelt.
Soldaten der U.S.-Armee besichtigten 2008 das Kloster St. Elias außerhalb von Mosul, Irak.
“Es wurde ein großer Teil der greifbaren Geschichte zerstört, sagte Rev. Manuel Yousif Boji. Der chaldäisch-katholische Priester von Southfield, Michigan, erinnert sich daran, wie er während eines Seminars in Mosul vor ungefähr 60 Jahren die Messe in St. Elias abgehalten hatte.
“Diese Verfolgungen geschahen unserer Kirche mehr als nur einmal, aber wir glauben an die Kraft der Wahrheit, an die Kraft Gottes,“ sagte Boji. Er ist Mitglied der chaldäischen Gemeinde im Raum Detroit, die sich nach dem sektiererischen Blutvergießen, das der U.S.-Invasion 2003 folgte, zur größten außerhalb des Irak entwickelte. Die christliche Bevölkerung ist von damals 1,3 Millionen auf nunmehr 300.000 gesunken, sagen christliche Autoritäten.
Die Zerstörung des Klosters ist ein Schlag für die U.S.-Truppen und Berater, die im Irak dienten und versucht hatten, die Stätte zu schützen und zu ehren, ein hoffnungsvolles Unterfangen an gewaltvollem Ort und Zeit.
Suzanne Bott, die über zwei Jahre als kulturelle Beraterin der U.S.-Staats-Abteilung im Iraq das Kloster St. Elias restauriert hatte, brach in Tränen aus, als die AP ihr die Bilder zeigte.
“Oh mein Gott! Es ist ja komplett ausgelöscht,”, sagte Bott. „Was wir verlieren ist eine greifbare Erinnerung der Ursprünge einer Religion.“
Auf diesem Foto vom 07. November 2008 führt ein Kaplan der U.S.-Armee Soldaten auf einer Tour vom St. Elias-Kloster zur Vorlauf-Operations-Basis Marez am Stadtrand von Mosul, Irak. Das Kloster wurde offensichtlich 2014 vom IS zerstört (Maya Alleruzzo/AP).
Col. Mary von der Reserve-Armee erinnerte sich an einen Gottesdienst zum Sonnenaufgang in St. Elias, wo sie als katholische Laienpfarrerin die Kommunion austeilte.
“Ich lasse diesen Moment in mir sinken, das Kerzenlicht, die ersten Sonnenstrahlen. Wir beteten an einem Ort, wo die Menschen vor 1400 Jahren Gott verehrten,“ sagte Prophit, die hier 2004 und erneut 2009 eingesetzt war.
“Ich könnte mir vorstellen, dass die Leute sich fühlen wie ‚Wofür waren die letzten zehn Jahre, wenn diese Typen da hineingehen und alles zerstören können?‘“, sagte Prophit, eine Bibliothekarin aus Glenoma, Washington.
Auf Verlangen von AP gab das Satellitenbilder-Unternehmen DigitalGlobe in Auftrag, eine hochauflösende Kamera über dem Gebiet passieren zu lassen, um Fotos zu machen; sie nahm dann frühere Bilder von der gleichen Gegend aus ihrem Bildarchiv, die täglich weltweit aufgenommen werden. Der Bilderanalytiker Stephen Wood, CEO der Allsource-Analyse, überprüfte die Aufnahmen für AP und bestimmte das Datum der Zerstörung zwischen 27. August und 28. September 2014. Bevor es vollkommen zerstört wurde, zeigen Bilder ein teilweise restauriertes, 27.000 Quadratmeter umfassendes religiöses Gebäude. Obwohl das Dach weiträumig fehlte, hatte es 26 charakteristische Räume einschließlich eines Altarraums und einer Kapelle. Einen Monat später „waren die Steinmauern buchstäblich pulverisiert,“ sagte Wood.
2010 feiern Soldaten eine katholische Ostermesse im Kloster St. Elias am Stadtrand von Mosul, Irak.
“Bulldozer, schweres Gerät, Vorschlaghämmer, vielleicht Sprengstoff, verwandelten diese Steinmauern in dieses Feld aus grau-weißem Staub. Sie zerstörten es komplett, “ sagte er. „Es gibt nichts, was man wieder aufbauen könnte.“
Das Kloster, bezeichnet als Dair Mar Elia, ist nach diesem assyrischen christlichen Mönch benannt – St. Elias – der es zwischen 582 und 590 nach Christus erbaute. Es war über Jahrhunderte eine heilige Stätte für irakische Christen und Teil der mittelöstlichen chaldäisch-katholischen Gemeinschaft.
1973 traf eine Tragödie das Kloster, als ungefähr 150 Mönche unter dem Befehl eines persischen Generals abgeschlachtet wurden, weil sie sich weigerten zum Islam überzutreten. Dabei wurde das Kloster beschädigt. In den nächsten beiden Jahrhunderten blieb es ein Wallfahrtsort, sogar als dort ein irakisches Trainingslager und später eine U.S.-Basis errichtet wurden.
Suzanne Botts führt 2009 eine Tour zum Kloster St. Elias. Bott verbrachte dort mehr als zwei Jahre zur Überwachung und Restaurierung der Stätte als Kulturberaterin des US-Staatsministeriums im Irak.
Dann, 2003 zitterte St. Elias erneut – in dieser Zeit wurde eine Wand durch einen Panzerturm zertrümmert, der im Krieg herangeschleudert wurde. Irakische Truppen waren bereits eingerückt und hatten Müll in der antiken Zisterne abgeladen. Die 101ste Airborne Division der U.S.-Armee übernahm die Kontrolle mit Truppen, die die historischen Mauern überpinselten und ihren grellen Divisions-Adler darauf schmierten, zusammen mit „Chad wuz here“ und „I love Debbie“ an den Wänden.
Der U.S.-Militärkaplan, der die Bedeutung von St. Elias erkannte, warf die Truppen raus und darauffolgende Erhaltungsinitiative der Armee wurde ein Lieblingsprojekt für eine Reihe von Geistlichen, die Tausende Soldaten durch die Ruine führten.
“Es war ein geweihter Ort. Wir verneigten buchstäblich physisch, um einzutreten, in Ergebung zu der Wirklichkeit, dass da im Innern etwas Größeres vor sich ging,“ erinnerte sich der Militärgeistliche Jeffrey Whorton. Der katholische Priester, der jetzt in Ft. Bragg arbeitet, musste sich erst einmal fangen, als er den Schaden gesehen hatte. „Ich weiß nicht, warum mich das so sehr berührt,“ sagte er.
Die Anstrengungen des U.S.-Militärs zogen 2008 die Aufmerksamkeit internationaler Medienkanäle auf sich, inklusive AP. Heute erhalten diese Chroniken, angefangen von YouTube-Videos auf den Handys von Soldaten, die das Kloster besucht hatten, bis hin zu den hochauflösenden, detaillierten Fotos von AP, eine neue Bedeutung als Archive für das, was verloren wurde.
Ein Teil, veröffentlicht im Smithsonian –Magazin, war vom amerikanischen Journalisten James Foley sechs Jahre vor seiner Ermordung durch Kämpfer des Islamischen Staats geschrieben worden.
St. Elias wurde gerettet, schrieb Foley im Jahr 2008, “für zukünftige Generationen von Irakern, die hoffentlich bald die Sicherheit haben werden, es zu würdigen.“
Übersetzt von Marianne Brückl
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