Nachdem in den vergangenen Jahren bereits Jugendaustauschprogramme unter anderem in die Vereinigten Staaten, Kanada, Türkei und Russland angeboten wurden, stand zum Ende des Jahres 2014 der Jugendaustusch mit den Suryoye in Indien im Mittelpunkt. Wie bei allen Jugendaustauschprogrammen lag das Interesse an dieser Bildungsreise nach Kerala darin, das Leben der dort lebenden syrisch-orthodoxen Christen zu erkunden und den Kontakt zu den dortigen Jugendlichen und Jugendgruppen zu knüpfen. Vorort wurden wir von Herrn Jose Sleeba betreut, der für uns das inhaltliche Programm konzipiert hatte. Jose war vor Ort unsere Ansprechperson und hat die Reise mitorganisiert. Er stand jeglichen Fragen und Wünschen stets offen gegenüber und begleitete uns zu mehreren Stationen.
Ein 33 Millionen Volk auf der Fläche der Schweiz (ca. 8 Millionen Einwohner), macht Kerala zu einem der am dicht besiedelsten Staaten Indiens. Die Bevölkerung Keralas ist hauptsächlich in der Landwirtschaft und im Fischfang tätig. Über 80% der Fläche Keralas wird landwirtschaftlich genutzt. Der Name „Kerala“ leitet sich von „kera“ ab, was übersetzt für Kokospalme steht. Diese ist in dieser Region mehrfach aufzufinden.
Die Bevölkerung in Kerala ist religiös gemischt, besteht aber im Vergleich zu ganz Indien aus der höchsten Anzahl an Christen. Es war daher nicht verwunderlich, dass unsere Bildungsreise mit den Jugendbegegnungen auf das Besuchen der vielfältigen kirchlichen Einrichtungen ausgelegt war. Kirche und Glaube sind ein integraler Bestandteil der in Kerala lebenden Menschen. Besonders beeindruckt haben uns die Vielfalt und der Reichtum syrisch-orthodoxer Traditionen. Die besuchten Klöster besitzen alte und wertvolle Schriften, die auf aramäisch verfasst worden sind und bis heute bestehen bleiben. Die Ausbildung zum syrisch-orthodoxen Pastor/Bischof ist sehr facettenreich und umfasst u. a. das Erlernen unserer Sprache, unserer Gebete und Lieder, obwohl die Sprache im Alltag nicht gesprochen wird. Die theologische Ausbildung erfolgt im Rahmen eines anerkannten Hochschulstudiums, welches oft in Kooperation mit umliegenden universitären Einrichtungen angeboten wird.
Obwohl die Ähnlichkeiten mit unserer aus Europa vertrauten syrisch-orthodoxen Praxis nicht auf den ersten Blick zu erkennen sind, sind diese vorhanden. In Kerala werden sie, im Vergleich zu europäischen Verhältnissen, ausschließlich im kirchlichen Umfeld ausgelebt. Kirche steht dort im Zentrum des Lebens der Menschen. Das ist unter anderem auch an den gut besuchten Gottesdiensten zu beobachten.
Während unserer Begegnungen mit den ansässigen Jugendlichen erkannten wir auch, dass die Situation der Frauen bedenklich ist. Bei unseren Jugendbegegnungen trafen wir ausschließlich junge Männer. Obwohl das Kastenwesen das Leben der indischen Gesellschaft nicht mehr in derselben Weise prägt wie früher, scheinen Frauen weiterhin in ihren Rechten und Entfaltungsmöglichkeiten eingeschränkt zu sein.
Kerala ist ein Land, in dem aber auch die Armut der Menschen zu erkennen ist. Eine intakte Infrastruktur existiert nicht. Die Straßen sind größtenteils beschädigt, verdreckt. Die Verkehrsbedingungen entsprechen absolut nicht dem europäischen Standard, sodass nicht-indische Fahrer es nicht wagen sollten, dort selbstständig Auto zu fahren. Die große Dichte an Menschen und Tumult verleiht der Gegend eine hohe Frequenz an Lautstärke, aber auch an Eindrücken. Oftmals verrät der Teint der Hautfarbe aus welchen Schichten/Kasten die Menschen kommen. Wohlhabendere Inder haben im Vergleich zu ärmeren eine hellere Haut. Diese gilt zum einen als Symbol für einen höheren Gesellschaftsstand und zum anderen als ästhetisches Vorbild. Dies ist insbesondere an Models auf Werbeplakaten zu beobachten.
In der täglichen Abendgestaltung haben wir meist selbstständig die Gegend fußläufig erkundet: Keralas Straßen bieten, nach europäischem Stil, keine Möglichkeiten der Abendgestaltung an. Wir haben schnell erkannt, dass die Einwohner zuhause bleiben, statt sich in jeglichen Bars oder ähnliches aufzuhalten. Uns wurde erklärt, dass das mit einem Gesetz bezüglich des Alkoholkonsums und der Öffnungszeiten zusammenhängt. Die Kontaktaufnahme mit Einheimischen außerhalb der organisierten Veranstaltungen und Besichtigungen war somit erheblich erschwert.
Indien, seine Menschen und natürlich auch die Natur sind schön, facettenreich und bieten einen großartigen Kontrast zu europäischen Verhältnissen. Reichtum und Armut liegen dabei nah beieinander. 14 Tage sind eine gute Zeit, um sich davon ein kleines Bild machen zu können. Allerdings wollen wir nicht nur das Land an sich kennen lernen, sondern auch unsere syrisch-orthodoxen Angehörigen. Daher ist es wichtig, weiterhin den Kontakt beizubehalten und eine Brücke zu bauen. Diesbezüglich waren die indischen Jugendlichen, Pastoren, Bischöfe und Gemeindemitglieder sehr offen und entgegenkommend. Sie selbst sind daran interessiert, den Kontakt zu knüpfen und beizubehalten. Auf die zukünftige Zusammenarbeit freuen wir uns schon sehr.
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