Hana Qritho

Am 02.03.2025 versammelten sich die Vereinsmitglieder zum alljährlichen Treffen anlässlich der sagenumwobenen Frauenfigur Hana Qritho. Es handelt sich um ein kulturelles Ereignis, das vermutlich aus der vorchristlichen Zeit stammt und sich somit im alten Mesopotamien abspielte. Was hinter dieser Legende steckt und welche Bedeutung dieser Brauch in der assyrischen Kultur hat, erfahrt ihr in diesem Bericht.

Demnach war Hana Qritho die Tochter eines Königs, dessen Reich von fremden Mächten bedroht wurde. Er sah sich daher gezwungen, in den Krieg zu ziehen. Bevor er in die Schlacht zog, gab der König ein göttliches Versprechen ab: Sollte er als Sieger hervorgehen, würde er als Dank die Person opfern, die ihm bei der Rückkehr in sein Reich als erstes begegnen würde. Schließlich siegte der König über seine Feinde und marschierte mit seiner Armee zurück in seine Heimat, entschlossen, seinen Teil des Schwurs zu erfüllen. Was er allerdings nicht ahnte, war, dass seine eigene Tochter bereits sehnsüchtig vor den Toren der Stadt auf seine Ankunft wartete und sich somit als das versprochene Opfer darstellt.

Als er ihr von seinem Versprechen erzählte, verstand die Prinzessin die Prüfung ihres Vaters. Sie stimmte dem Opfer unter der Bedingung zu, dass ihr eine Gnadenzeit von drei Tagen gewährt wird. Der König akzeptierte die letzte Bitte seiner Tochter. In diesen Tagen hielt die Prinzessin ein Fest ab, um sich von ihren Untertanen zu verabschieden. Noch ein letztes Mal speisten, tanzten und sangen die Gäste mit ihr zusammen. Zuletzt erinnerte sie all ihre Angehörigen daran, jenen letzten Tag jährlich zu feiern. Schließlich kehrte die Prinzessin zum Palast zurück und stellte sich als Opfer zur Verfügung.

Auch nach dem Fall des Reiches und der Konvertierung zum Christentum halten die heutigen Suryoye (Assyrer/Aramäer/Chaldäer) als Nachfahren des antiken Mesopotamiens an diese alte Tradition fest. Demnach wird ein Tag vor der Fastenzeit zu Ostern jährlich ein Fest abgehalten. Die Prinzessin aus der Sage wird als eine Puppe mit dem Namen „Hana Qritho“ verkörpert. Im Gebiet des Tur Abdins wurden diese Puppen oftmals von Kindern vorbereitet. Verkleidet zogen sie gemeinsam mit der Hana Qritho von Haus zu Haus und baten singend um folgende Gaben: Bulgur, Eier und Butter. Danach trafen sich die Gemeinden in den örtlichen Kirchen zusammen und bereiteten aus den gesammelten Zutaten das Gericht „Birgil u Sfeiro“ zu. Neben den Anwesenden, wurde auch ein Teil der Speisen an die Armen gespendet. Auch die  „Hana Qritho“ erhielt symbolisch einen Teller.

In der Heimat und in der Diaspora wird diese alte Tradition weiterhin in Kirchen und Kulturvereinen gepflegt. So auch im Assyrischen Mesopotamien Verein in Augsburg. Jedes Jahr laden wir unsere Gäste ein, um gemeinsam an diesem alten Brauch festzuhalten. Demnach erzählen die Mitglieder die Geschichte rund um diese Sage und speisen gemeinsam „Birgil u Sfeiro“. Die Puppe mit dem Namen „Hana Qritho“ wird mit einem Tanz empfangen und von zwei Frauen getragen.

Wir bedanken uns bei allen Anwesenden und freuen uns darauf, euch wieder im nächsten Jahr zum Tag der Hana Qritho begrüßen zu dürfen.

 

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