Protestmemorandum der ADO

Vorstellung des Hohen Verhandlungskomitees von einer politischen Lösung in Syrien

Das Hohe Verhandlungskomitee der Syrischen Revolution und Syrischen Opposition (Englisch: The High Negotiation Committee for the Syrian Revolution and Opposition Forces (HNC) hat seine Ansichten über eine politische Lösung in Syrien in einem Dokument mit dem Titel „Rahmen für eine politische Lösung basierend auf dem Genfer Kommuniqué (2012)“ veröffentlicht.

Diese Bekanntmachung wurde während einer internationalen Konferenz, welche am 7. September 2016 stattfand, herausgegeben. Neben der Führung des HNC nahmen auch die Außenminister und Vertreter von elf Staaten an der Konferenz teil, welche als die „Freunde Syriens“ bezeichnet werden. Dieses Dokument hat viel Verärgerung und Unmut bei Christen hervorgerufen, besonders bei Assyrern.

Wir, die Assyrische Demokratische Organisation (ADO), stellen zwar in Bezug auf eine Vielzahl von Schlüsselthemen viele positive Aspekte in der Zukunftsvision des HNC fest; jedoch bringen wir gleichzeitig ebenso viele erhebliche und notwendige Vorbehalte zum Ausdruck. Wir äußern diese Bedenken vor allen Syrern und syrischen Oppositionsgruppen und rufen sie dazu auf, auf diese Befürchtungen zu reagieren. Nachfolgend einige dieser Bedenken:

  1. Die Missachtung einiger der Kompromisse, die im letzten Entwurf des Rahmendokuments beschlossen wurden.
  2. Das Rahmendokument ignoriert völlig die Existenz und die Rechte der eingeborenen Assyrer in Syrien. Diese Rechte wurden von allen nationalen syrischen Oppositionsgruppen in ihren Dokumenten anerkannt und beschlossen, einschließlich in der „Erklärung von Damaskus für die nationale und demokratische Umwälzung“, im Syrischen Nationalrat, in der Nationalen Koalition der Syrischen Revolution und Opposition und in der Konferenz von Kairo im Jahr 2012. Diese Konferenz von Kairo (2012) wurde vom Genfer Kommuniqué (2012) inspiriert, welches vom HNC als Grundlage für seine Zukunftsvision angenommen wurde. Alle nachfolgenden Konferenzen der syrischen Opposition erklärten sich ebenfalls mit diesen grundlegenden Prinzipien und Rechten einverstanden.
    Diese Missachtung stellt eine wesentliche Rückentwicklung dar, die sogar als Schlag gegen all die Erfolge der syrischen nationaldemokratischen Opposition vor und nach der Revolution angesehen werden könnte. Es ist eine Fortführung der Baath-Mentalität, die Syrien und der syrischen Bevölkerung Unheil und eine Serie von Katastrophen gebracht hat. Es fällt innerhalb der Grenzen des Vorgehens des Assad-Regimes, welches das Prinzip der nationalen Partnerschaft zerstört hat, indem es verschiedene Teile der syrischen Gesellschaft ausgeschlossen und marginalisiert hat. Dies gilt insbesondere für die Assyrer, welche zu den ältesten indigenen Bevölkerungsgruppen in Syrien gehören. Sie haben dem Land seinen Namen gegeben, in hohem Maße zur Zivilisation Syriens beigetragen, haben riesige Opfer gebracht und vor und während der Revolution unter Verfolgung, Unterdrückung, Diskriminierung und Vertreibung gelitten. Letztere haben viele Assyrer dazu gezwungen, ihre angestammte Heimat zu verlassen. Außerdem waren ihre politischen Parteien – repräsentiert durch die Assyrische Demokratische Organisation – an der Spitze der syrischen Revolution vertreten und der Verfechtung ihrer Ziele, nämlich Freiheit und Würde.
  3. Die Absicht, die nationale syrische Identität innerhalb des islamischen Glaubens und der nationalen arabischen Identität zu marginalisieren. Das ist eine kurzsichtige Vision, die aller Logik widerspricht sowie historische Fakten und die Realität ignoriert. Sie steht außerdem in Konflikt mit den Prinzipien des internationalen Rechts, welches nicht die Existenz eines einzigen nationalen arabischen Heimatlandes (ein ideologischer Ausdruck), sondern vielmehr eine Vielzahl von arabischen Staaten anerkennt (zu denen auch Syrien gehört), welche Mitglieder der Arabischen Liga und der Vereinten Nationen sind. Außerdem gibt es Unstimmigkeiten zwischen der englischen und arabischen Version in diesem Teil des Textes.
  4. Das Ignorieren der christlichen Präsenz, der Rolle des Christentums und seiner Kultur, welche allesamt tief in Syrien verankert sind. Das ist eine Fehlinterpretation der nationalen syrischen Identität (welche nach unseren Bestrebungen alle Syrer umfassen soll), die der Botschaft von Staatsbürgerschaft, Gerechtigkeit und Gleichheit widerspricht.
  5. Die Unbestimmtheit und das völlige Fehlen von Transparenz und Klarheit bezüglich der Demokratisierung des Systems und des politischen und öffentlichen Lebens sowie bezüglich der Auswirkungen von demokratischen Prinzipien auf die Minderheitenrechte und deren Schutz vor möglicher Unterdrückung durch die Mehrheit. Demokratische Grundsätze wurden durch vage Formulierungen, wie beispielsweise „demokratische Mechanismen und Verfahrensweisen“, ersetzt. Das ist nicht ausreichend, um demokratische Prinzipien in der Gesellschaft zu etablieren. Die Zukunftsvision des HNC nutzte außerdem einen ausweichenden Ansatz, indem es die Annahme eines Zivilstaates und derjenigen modernen Standards umging, welche auf der Gleichheit aller Bürger basieren. Diese Gleichheit wiederum würde voraussetzen, dass der Staat nicht auf der nationalen oder religiösen Identität eines seiner Bevölkerungsgruppen beruht. Unserer Meinung nach ist diese Vorstellung von einem modernen Staat, der allen Bürgern gleiche Rechte einräumt, gleichbedeutend mit einem säkularen demokratischen Staat.
  6. Fehlende Rechenschaftspflicht und Kontrollmechanismen für die Rolle und die Arbeit des Übergangsregierungsgremiums, welches alle legislativen und exekutiven Befugnisse übernehmen wird. Dies schürt die Angst vor einer Diktatur und vor einem Übergang zu einer neuen Form der Tyrannei, besonders da es schwierig ist, die Dauer der Übergangsphase vorherzusagen aufgrund der komplexen Situation in Syrien. Es ist außerdem zu berücksichtigen, dass fast die Hälfte der Mitglieder dieses Gremiums aus Personen bestehen würde, die als loyal zu und eng verbunden mit dem Assad-Regime gelten.

Wir in der Assyrischen Demokratischen Organisation verurteilen nachdrücklich dieses große Unrecht gegenüber den Assyrern und protestieren gegen das Ignorieren ihres Namens und das Leugnen ihrer Rechte. Wir machen das HNC in vollem Umfang für dieses schwerwiegende Unrecht verantwortlich, ebenso die Kräfte, die das HNC umfasst; die Nationale Koalition der Syrischen Revolution und Opposition, das Nationale Koordinationskomitee für den demokratischen Wandel, der Kurdische Nationalrat und die anderen nationalen syrischen Persönlichkeiten sind, so glauben wir, unter den Druck und den Einfluss der unnachgiebigen Nationalisten und Islamisten geraten. Diese arbeiten daran, die Entscheidungen des HNC ihrer Kontrolle zu unterwerfen, und streben danach, das Land von den Zielen der Revolution des syrischen Volkes abzubringen.

Um diese Ungerechtigkeiten zu beseitigen, die den Assyrern und Christen widerfahren, rufen wir alle dazu auf, ihre Position zu überprüfen, unsere Bedenken zu berücksichtigen und diese Diskriminierung rasch anzugehen, indem das Rahmendokument des HNC verändert wird, um zu gewährleisten, dass die nationalen Rechte der Assyrer und anderer Bevölkerungsteile Syriens, ähnlich den Arabern und Kurden, konstitutionell anerkannt werden innerhalb des Rahmens eines vereinigten Syriens.

Ewiger Ruhm den Seelen der Märtyrer und lang lebe Syrien, ein freies Heimatland für alle seine Bürger.

Assyrische Demokratische Organisation
Politisches Büro

Syrien, 8. September 2016

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