Ohnmacht und Verzweiflung

Friedensfest in Augsburg, Krieg in der Heimat

„Heimat? Da war ich noch nie!“, so lautet das aktuelle Motto des diesjährigen Augsburger Friedensfestes. Es ist ein schönes Motto, das sicherlich vielen aus der Seele spricht. Denn mit einem Migrantenanteil von etwa 40 Prozent, aufgeteilt in rund 140 Nationalitäten, führt Augsburg die Liste multikultureller Städte in Bayern an.

Doch während in Augsburg das Friedensfest gefeiert wird, das am morgigen Augsburger Friedenstag am 08. August seinen Höhepunkt erreicht, ist Frieden in der Heimat für viele Augsburger Bürger ein unerreichbarer Traum. Besonders die Lage im Irak und in Syrien ist gerade für die christlichen Assyrer, aber auch für Yeziden, Kurden und Schiiten, seit dem Einmarsch der islamistischen Organisation IS (früher ISIS) alarmierend.

Über 5000 Assyrer leben derzeit in Augsburg. Ihre Familien in der Heimat werden vertrieben, vergewaltigt, erpresst, enthauptet.
Was können sie von hier aus tun?

Ihre Verzweiflung und Ohnmacht trieb am vergangenen Samstag, 02.08.2014, rund 350 Menschen mit dem Aufruf „Demand for action“ auf den Rathausplatz. Dieser internationalen Kampagne, vom weltweit bekannten Journalisten Nuri Kino ins Leben gerufen, folgten rund 100.000 Menschen in 12 Ländern. Allein in Deutschland wurden, neben Augsburg, in 15 Städten Demonstrationen, Kundgebungen oder ähnliche Aktionen durchgeführt.

Sie möchten die Öffentlichkeit darauf aufmerksam machen, dass sie in ihrer Heimat auf Grund ihrer Ethnie und ihres Glaubens verfolgt werden.
Dass IS-Kämpfer an Minderheiten Gräueltaten verüben, die man nicht in Worte fassen kann. Sie vergewaltigen junge Mädchen und verheiratete Frauen. Sie massakrieren Erwachsene ebenso wie Kinder. Sie verschonen niemanden, der nicht ihrer Gesinnung entspricht. Menschen werden in ihren Häusern ermordet, auf offener Straße geköpft oder sogar gekreuzigt. Die Bilder, die derzeit in den sozialen Netzwerken kursieren –IS-Kämpfer, die ihre „Beute“ stolz präsentieren –, brennen sich unweigerlich in die Köpfe ein.

Doch die Hoffnung auf Wahrnehmung in der Öffentlichkeit blieb den Demonstrierenden in Augsburg bisher versagt.

Dabei nehmen die Schreckensmeldungen aus dem Irak und aus Syrien auch in diesen Tagen kein Ende. Die islamistische Organisation IS vergrößert ihr Machtgebiet, steht mittlerweile auch vor den Toren der Städte „Al Hassake“ und „Qamishli“ in Syrien. Bis vor einigen Tagen sprach die UN von rund 200.000 Menschen, die vor der IS auf der Flucht sind.

Seit den letzten 24 Stunden sind laut dem dort ansässigen Patriarchen der chaldäisch-katholischen Kirche, Luis Rafael I. Sako, weitere 200.000 Menschen auf der Flucht, insbesondere Assyrer und Yeziden. Denn in der vergangenen Nacht sind Kämpfer des „Islamischen Staats“ durch die kurdischen Verteidigungsstellungen im Nordirak gebrochen und haben die meisten assyrischen Dörfer der Ninive-Ebene besetzt.

„Wie bei einem Exodus oder vergleichbar mit einem Kreuzweg“, so Sako, „flüchten Christen zu Fuß in der sengenden Sommerhitze des
Irak in die kurdischen Städte Erbil, Duhok und Sulaymaniya, unter ihnen
auch kranke und alte Menschen, Kinder und Schwangere.“ Das sei nicht nur
eine humanitäre Katastrophe, es drohe vielmehr ein Völkermord. „Die
Menschen benötigen Wasser, Essen und Obdach“, appelliert Sako.

Was, wenn nicht die Forderung nach Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und dem Schutz der Politik, können ihre Familien in Augsburg tun?

Die Assyrer im Irak sehnen sich nach Frieden. Die Menschen im Irak möchten in ihrer Heimat leben. Doch seit Jahrzehnten werden sie eben hier verfolgt. „Heimat? Da war ich noch nie!“ Auch die Assyrer können das von sich behaupten – auch diejenigen, die eigentlich noch in ihrer Heimat leben.

Augsburg, den 07.08.2014

Assyrischer Mesopotamien Verein e.V.
ܚܘܕܪܐ ܐܬܘܪܝܐ ܕܒܝܬܢܗܪܝܢ ܐܘܓܣܒܘܪܓ

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